"Trattoria al Faro" an der Goitzsche "Trattoria al Faro" an der Goitzsche: Klasse statt Masse

Wer vor zehn Jahren bei der Suche nach einem Ausflugsziel fürs Wochenende die Goitzsche ins Spiel gebracht hätte, wäre wohl bestenfalls ausgelacht worden. Denn vor zehn Jahren hatte der Tagebausee bei Bitterfeld zwar schon den Pegelturm - einen schwimmenden Aussichtsturm - vorzuweisen, ansonsten aber bestach das Ufer vorwiegend durch staubige Brachflächen, die allenfalls als Parkplatz taugten.
Und heute? Gibt es Bootsliegeplätze, Rundfahrten auf dem See und Gastronomie an jeder Ecke. Und das nicht nur in Bitterfeld, sondern auch gleich nebenan in Mühlbeck, bekannt durch Deutschlands erstes Buchdorf. Dort, direkt am Goitzsche-Ufer, wirbt die „Trattoria al Faro“ mit „italienischen Spezialitäten am See“.
Huch, noch ein Italiener! Wo es doch schon so viele gibt landauf, landab. Warum also gerade nach Mühlbeck? Weil man von hier aus einen traumhaften Blick auf die Goitzsche hat, vielleicht. Vielleicht auch, weil das Restaurant maritimes Flair vermittelt, das sich nicht wie so häufig in langweiliger Dekoration mit Muscheln, Fischernetzen und sonstigem Krimskrams erschöpft. Nein, viel besser, in Mühlbeck befinden sich der Strand samt Strandbar und Spielplatz sowie die Bootsliegeplätze direkt vor der Tür.
Genau das war allerdings zuletzt das Problem: Wegen des Hochwassers hatte auch das von Korinna Heß geführte Lokal eine Woche geschlossen. Mittlerweile ist wieder geöffnet. „Wir freuen uns über jeden Gast“, sagt Heß. Der Strand ist allerdings noch nicht wieder nutzbar. Dort stehe noch etwa 70 Zentimeter hoch das Wasser der Goitzsche, sagt die Wirtin. „Im Haus selbst ist zum Glück alles trocken geblieben.“ Voraussichtlich Mitte Juli sollen auch der Strand und die Strandbar wieder eröffnet werden. „Wir hoffen, dass wir uns dann noch auf den Rest des Sommers freuen können.“
Nicht das übliche Einerlei
Die Trattoria al Faro ist einen Tick anders. Zwar dominieren auch hier Pizza und Pasta die Speisekarte. Aber die richtig zuzubereiten, ist eine Kunst - wie jeder weiß, der schon mal mit pampigen Nudeln und pappigen Teigfladen gequält worden ist. Heß dagegen setzt auf traditionelle italienische Dorfküche. So ist die Karte überschaubar, die Kreationen heben sich ab vom üblichen Einerlei, wie etwa die deftig-pikante Holzfällerpizza mit Paprika, Zwiebeln, Bauchspeck und eingelegten Peperoncini beweist.
Oder die Panzerotti. Es handelt sich um gefüllte Teigtaschen, und wer jetzt an Pizza Calzone denkt, liegt nicht ganz falsch und doch daneben. Panzerotti werden in heißem Öl ausgebacken - das kann gut gehen oder auch nicht, je nach Güte und Alter des Öls. In Mühlbeck gelingt es. Die Wahl fällt auf Panzerotti mit Käse, Schinken und Pilzen für 7,90 Euro. Der Teig: kross. Die Füllung: nicht undefinierbar pampig, sondern mit Biss. Noch besser freilich hätte es geschmeckt, wären die Bestandteile der Füllung nicht hintereinander weg zwischen die Teigwände gestopft, sondern vorher miteinander vermengt worden.
Womit wir schon bei den Hauptgerichten wären, dabei sind doch beim Italiener Antipasti geradezu Pflicht. Auf den Tisch kommen also eine Vorspeisenplatte nach Art des Hauses (10,30 Euro) und Bruschetta (4,80 Euro). Zwei Klassiker, aber gerade an denen erweist sich ja oft die Kunst der Küche.
Wo ist das Olivenöl?
Das Brot der Bruschetta ist fein geröstet. Und die Tomatenwürfel? Oft kommen sie direkt aus dem Kühlschrank, was den Genuss verleidet. Hier aber sind sie wohltemperiert und fruchtig-aromatisch dazu. Leider aber fällt die ganze Kreation recht trocken aus - es fehlt: das Olivenöl. Daran krankt auch der Salat auf dem Antipasti-Teller. Dressing - Fehlanzeige. Ansonsten aber wartet eine solide Mischung aus Salami, Parmaschinken, Käse und mariniertem Gemüse auf den hungrigen Gast. Kurze Warnung: Die Salami und die eingelegten Zwiebelchen kommen mit ordentlicher Schärfe daher.
Die Hauptgerichte machen die Schwächen der Vorspeisen schnell wieder vergessen. Das gilt für die Panzerotti ebenso wie für „Heu und Stroh“. Für 12,90 Euro gibt es kein Grünfutter, sondern eine Kombination weißer und grüner Tagliatelle mit Filetspitzen und Pilzen, abgeschmeckt mit Brandy. Die Pasta auf den Punkt gekocht, bissfest, das Schweinefilet hauchzart, die Soße so aromatisch, dass sie nicht alles erschlägt - so soll es sein. Nur: Es muss zwar nicht gleich alles schwimmen, doch etwas mehr Soße hätte gewiss nicht geschadet.
Das große Kind ist mit einer klassischen Pizza Margherita gut bedient, die im übrigen das dickste Lob des Abends verdient - der Boden dünn, der Rand knusprig, die Tomatensoße fruchtig, der Mozzarella mild. Die Bitte nach einer kleinen Pizza wird umstandslos erfüllt. Was dann auf den Tisch kommt, gleicht allerdings Erwachsenenportionen anderswo - was daran liegt, dass die Pizzen im „Al Faro“ normalerweise Übergröße haben. Eine Kinderkarte gibt es übrigens nicht - womit sich das Lokal wohltuend von den üblichen Angeboten für den Nachwuchs - Nudeln mit Tomatensoße, kleines Schnitzel oder Chicken Nuggets - abhebt.
Etwas am Wasser
Korinna Heß hat ihre Trattoria 2004 eröffnet. Das Lokal war damals eines der ersten an der Goitzsche. Heß kommt aus der Gastronomie, lange führte sie mit ihrem Mann eine Catering-Firma in Berlin. Irgendwann wollte sie etwas anderes - möglichst am Wasser. „Ich komme aus Potsdam, ich weiß, dass Wasser immer Leute anzieht.“ Den Tipp, es an der Goitzsche zu versuchen, gab ihr ein Bekannter. Erst war sie skeptisch, aber irgendwann setzte sie sich ins Auto und fuhr her. Mittlerweile, sagt sie, läuft der Laden.
Heß setzt auf Klasse statt Masse. Und auf Originalität. Ob Olivenöl, Salami, Schinken oder Käse - vieles, was in der Küche verarbeitet wird, kommt über einen Großhändler aus Süditalien. Das Konzept erstreckt sich auch auf die Weine, die vor allem von apulischen Winzern stammen, vom Stiefelabsatz. Auch deshalb ist die Weinkarte überschaubar, was die Entscheidung erleichtert. Die Wahl fällt auf einen offenen Primitivo Salento (9,90 Euro), ein fruchtiger, nicht zu schwerer Rotwein mit dezenter Säure.
Zunächst irritierend, weil wenig an einen italienischen Dorfgasthof erinnert, wirkt die Einrichtung. Schwere Stilmöbel dominieren und schaffen mit festlich gedeckten Tischen eine behagliche Atmosphäre. Das Personal mit seiner ungezwungenen freundlichen Art tut sein Übriges. So ist ein Platz für das kleine Kind im Kinderwagen schnell gefunden. „Wir wollen, dass sich die ganze Familie bei uns wohlfühlt“, sagt Heß.
Während für die Kinder gesorgt ist, können sich die Eltern in die Dessertkarte vertiefen. Die Entscheidung fällt nicht schwer: Tiramisu soll es sein! Doch da wäre weniger sicher mehr gewesen. Geschmacklich wird das süße Kunstwerk (5,10 Euro) von eindeutig zu viel darüber gestreutem Kakaopulver dominiert, wobei das Kaffee-Aroma leider auf der Strecke bleibt. Die Pannacotta zu 4,90 Euro auf der anderen Seite des Tisches vermag derweil vor allem durch die dazu gereichte Fruchtsoße zu überzeugen, dürfte aber cremiger ausfallen.
So bleibt am Ende ein zwiespältiger Eindruck: Die Lage stimmt, das Konzept auch. Aber die Küche hat noch Reserven.
