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Tote Babys in Benndorf Tote Babys in Benndorf: Psychologe: Warum Mütter ihre Kinder prügeln oder töten

05.01.2018, 09:00
Steffen Dauer
Steffen Dauer Thomas Meinicke

Halle (Saale) - Was mit den beiden toten Säuglingen passierte, die am Dienstag in einer Wohnung in Benndorf (Mansfeld-Südharz) entdeckt wurden, ist noch nicht ermittelt. Die 46-jährige mutmaßliche Mutter wurde am Donnerstag erneut vernommen und mit den Ergebnissen der Obduktion konfrontiert. Der Fundort in Benndorf - eine Kühltruhe - erinnert an mehrere Fälle in denen Mütter ihre Kinder getötet haben. Über die Hintergründe solcher Taten hat Julius Lukas mit dem Rechtspsychologen Steffen Dauer aus Halle gesprochen.

Herr Dauer, warum tun Mütter ihren Kindern Gewalt an oder töten sie sogar?

Steffen Dauer: Die Gründe kann man nicht verallgemeinern. Es handelt sich bei diesen Taten immer um Einzelfälle. Die Mütter eint aber, dass bei ihnen die natürliche Hemmung, Gewalt gegen Kindern anzuwenden, herabgesetzt ist. Das kann aus ganz unterschiedlichen Konstellationen heraus geschehen: Überbeanspruchung, falsche Einschätzung der Folgen einer Schwangerschaft und der Belastung durch die Kinderbetreuung. Auch kann Ärger, der sich eigentlich auf andere Personen bezieht - etwa den eigenen Lebenspartner - auf das Kind übertragen werden. Diese Wut trifft dann nicht den Verursacher, sondern das schutzloseste Wesen im eigenen Umfeld.

Gewalt von Müttern und Kindstötungen lösen sehr emotionale Reaktionen aus. Warum empfinden wir gerade diese Taten als so verstörend?

Dauer: Die Vernichtung menschlichen Lebens bewegt sich immer außerhalb unserer Vorstellungen. Hinzu kommt die Rolle einer Mutter. Sie soll das Kind schützen, es nähren und umsorgen. Das sind die klassischen Erwartungen. Deshalb ist ein gegen diese Erwartungen gerichtetes Verhalten umso verstörender. Und diese Reaktion ist auch gut so. Gerade Gewalt gegen Kinder ist immer abzulehnen.

Typische Fundorte der Kinder sind Garten, Dachboden oder Kühltruhe. Warum belassen die Täter die Leichen in ihrem privaten Umfeld?

Dauer: Da spielen sicher Entdeckungsängste eine Rolle. Die Tatverdächtigen glauben, dass die Kinder im eigenen Umfeld nicht gefunden werden - was ja eine Illusion ist. Wenn sie sich das Handeln bewusst machen würden, dann würden sie darauf kommen, dass ein Kind in einer Kühltruhe irgendwann entdeckt wird. Aber wir dürfen uns die Gedanken der Handelnden nicht als rational vorstellen - denn wenn sie das wären, würden sie die Tat nicht begehen.

Es gibt auch Berichte von Frauen, die sagen, dass sie von der Geburt überrascht waren. Kann man die eigene Schwangerschaft denn wirklich ausblenden?

Dauer: Ja, man kann sie gedanklich verdrängen und das über einen langen Zeitraum. Selbst die Geburt, die als Vorgang natürlich bemerkt wird, kann anschließend aus dem Gedächtnis verbannt werden. Konfrontiert man die Betroffenen aber damit, dann zeigt sich, dass ihnen diese Ereignisse durchaus präsent sind. Die Frauen wissen, dass sie schwanger sind oder es waren.

Warum werden solche Schwangerschaften auch im Umfeld nicht bemerkt?

Dauer: Manche Frauen verstecken sie und mitunter ist körperlich bei den betroffenen Frauen auch wenig zu erkennen. Selbst vom Partner werden diese Schwangerschaften dann nicht entdeckt.

Gibt es präventive Maßnahmen, mit denen man Kindstötungen abwenden kann?

Dauer: Hilfsangebote für ungewollt schwangere Frauen existieren, dennoch lassen sich Kindstötungen nie vollständig verhindern. Bei Betrachtung der Fälle zeigt sich, dass die Mütter aus allen sozialen Schichten kommen. Die Taten sind unabhängig von Einkommen oder Intellekt der Täterinnen. Auch mögliche Bestrafungen haben keine Auswirkungen auf die Prävention. Die Frauen handeln sehr fokussiert und machen sich über die Bestrafung keine Gedanken. Es ist eben kein rationaler Vorgang. Allerdings kann man sagen, dass die Zahl solcher Fälle in Deutschland auch sehr gering ist. Aber dass Kindstötungen immer wieder vorkommen - damit muss man wegen der Ausnahmesituation für die betroffenen Mütter leider leben. (mz)