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Tornado im Kreis Köthen Tornado im Kreis Köthen: Der Schrecken kam aus dem rußschwarzen Himmel

Von Steffen Könau 24.06.2004, 19:08
Mit zerstörerischer Kraft ist ein Tornado durch Micheln im Landkreis Köthen gefegt. Am Tag danach waren hunderte Helfer - wiehier von der Freiwilligen Feuerwehr in Wulfen - an der Unglücksstelle im Einsatz. (MZ-Foto: Heiko Rebsch)
Mit zerstörerischer Kraft ist ein Tornado durch Micheln im Landkreis Köthen gefegt. Am Tag danach waren hunderte Helfer - wiehier von der Freiwilligen Feuerwehr in Wulfen - an der Unglücksstelle im Einsatz. (MZ-Foto: Heiko Rebsch) Heiko Rebsch

Micheln/MZ. - Kaum hat er das bedrohlicheGebilde fotografiert und gedacht "hoffentlichkommt das jetzt nicht auf mich zu", jagt derriesige Kreisel in die Gegenrichtung davon.Direkt auf die beiden Orte Micheln und Trebbichauzu.

Am Tag danach steht Storch nun inmitten einerTrümmerlandschaft. Verbogene Eisenteile ragenin die Luft, zerschmetterte Balken liegenauf dem Weg. Häuser stehen ohne Dächer, Scheunengar nicht mehr. Bäume sind entwurzelt, Mauerneingedrückt, Autos zerschmettert. Es riechtdurchdringend nach Dachpappe und Staub, undAxel Storch, nunmehr in seiner Funktion alsVersicherungsexperte vor Ort, schüttelt schonnach einem ersten Rundblick fassungslos denKopf: "Der Schaden geht mit Sicherheit indie Millionen."

Noch schwerer aber wiegt der Schrecken, derden Menschen wie aus dem Nichts in die Knochengefahren ist. "Der Himmel war wie Ruß", beschreibtSigrid Knopf, die das Abendbrot richtete,als die Scheiben klirrten. Ihr Mann Richard,der den Trabi in die Scheune gefahren hatte,rettete sich mit einem Sprung ins Waschhaus.

Dann bricht das Inferno los. Dachziegel knallenin den Hof, das Scheunentor birst, Mauernreißen, Bäume knicken weg. Der Trabant, indem Richard Knopf eben noch saß, wird in dieLuft geblasen, der Anbau pulverisiert. "Nichtsübrig", zeigt Schwager Adalbert Speer. EinBackstein-Berg nur, "wie nach einem Bombenangriff",sagt Sigrid Knopf. Die 64-Jährige kann immernoch kaum glauben, was geschehen ist. "Jahrehat man aufgebaut, jetzt ist alles futsch."

Nicht nur hier. Quer durchs Dorf zieht sichdie Schreckensspur des Tornados, der aus demNichts kam und nach nur zwei Minuten auf denFeldern hinterm Ort verschwand. Wo er wütete,blieb kein Stein auf dem anderen. Knapp danebenaber strahlen Fassaden makellos, Fenster sehenaus wie frischgeputzt.

Siegfried Plettner allerdings hat es vollerwischt. "Das Dach war gerade zwei Wochenfertig", grollt er. Jetzt steckt in sechsMetern Höhe ein Kantholz wie ein Speer imAluminium, tiefe Risse künden von anderenGeschossen, die der Höllenwind in die Höheschießen ließ.

Britta Gebel hat er das Auto zermalmt, mitdem die junge Frau "heute eigentlich in denUrlaub fahren wollte". Jetzt karrt sie stattdessenSchutt und versucht, "nicht allzu sehr überdas alles nachzudenken". Schließlich müsse"es ja irgendwie weitergehen".

Nachbarn für Nachbarn

Nur wie, weiß noch niemand. Margitta Hildebrandt,die den Ortskonsum betreibt, den der Sturmgenauso in Einzelteile zerlegt hat wie Scheune,Garage und Wohnhaus, staunt über die Hilfe,die von allen Seiten kommt. Leute von denFeuerwehren ringsum sind wie Henry Lindemannund David Ulrich seit mehr als zwölf Stundenauf den Beinen. Der Student Matthias Marxaus Drosa ist rübergekommen, "weil ich sowiesogerade zu Hause war und dachte, hier wirdjetzt jeder gebraucht". Und die Männer vonder Baufirma Michaelis helfen Hildebrandtsschnell beim Sichern der sturmgeschädigtenGebäude. Nachbarn sind für Nachbarn da, Fremdepacken bei Fremden mit an, ohne groß zu fragen."Wenn es irgendetwas gibt, für das wir sogestraft worden sind", ahnt Britta Gebel dennauch, "dann kann es jedenfalls nichts mitden Leuten hier zu tun haben."