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Thüringen Thüringen: Altenburg im Ausnahmezustand

Von Susann Huster 12.09.2008, 15:38
Ein Teilnehmer der NPD-Veranstaltung «Fest der Völker». (Foto: ddp)
Ein Teilnehmer der NPD-Veranstaltung «Fest der Völker». (Foto: ddp) ddp

Altenburg/ddp. - Angst vor einem Rock-Festival derRechtsextremisten, das es so in ihrer Stadt noch nie gegeben hat. Unddas direkt vor ihrer Haustür.

Auf einem Parkplatz inmitten eines dicht bewohnten Gebietes wollendie Neonazis ihre Bands spielen und Redner aus ganz Europa ihreParolen verbreiten lassen. Die Politiker geben sich machtlos undverweisen auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit.

Die Altenburger schimpfen auf die NPD-Anhänger, die sichausgerechnet ihre Stadt für den Aufmarsch ausgesucht hätten. Ihre Wutrichtet sich aber auch gegen die Politiker, die diese Veranstaltungnicht verhindert hätten: «Unser Oberbürgermeister und auch derLandrat sind nicht da, nur ihre Vertreter. Das kann ich nichtverstehen», sagt Klaus Reinhardt. Er steht neben dem großen Parkplatzund beobachtet die Polizisten, die Handzettel mit Hinweisen an dieBevölkerung verteilen.

Schon am Freitag ist das Viertel voller Polizisten. Am Samstagwerden sie mit einem massiven Aufgebot überall in Altenburg präsentsein und die Neonazis von den 1500 erwarteten Gegendemonstrantenabschirmen, die zur gleichen Zeit gegen den Aufmarsch der Rechtenprotestieren wollen.

«Da ist sehr viel Angst unter den Leuten hier», erzählt PetraMohaupt, die ihren Bäckereistand in Altenburg-Nord am Samstag nichtwie gewohnt öffnen wird. «So etwas in einem Wohngebiet zuzulassen,ist eigentlich unverantwortlich», ärgert sich die Frau. Eine Kundinhabe ihr erzählt, dass sie ihre kleine Tochter vorsorglich zuVerwandten außerhalb der Stadt gegeben habe, damit die Kleine nichtsvon dem Nazi-Treffen mitbekommt. Auch die Supermärkte des Stadtteilswollten am Samstag nicht öffnen.

Für die Bewohner kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Sollte eszu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen linken und rechtenDemonstranten kommen, haben sie nicht nur Angst um ihre Gesundheit,sondern auch um ihre Autos. Denn dort, wo sie sonst parken, solltenam Samstag rechte Bands spielen.

«Nervig» finden der 26-jährige Stefan Otto und seine drei Jahrejüngere Freundin Franziska Ködderitzsch den Run auf die wenigenverbliebenen Parkplätze. Viele Bewohner hätten deshalb schon amFreitag ihre Sachen gepackt und seien mitsamt Auto aus der Stadtgeflüchtet.

Der für die Genehmigung des Neonazi-Festes hauptverantwortlicheLandrat des Altenburger Landes, Sieghardt Rydzewski (parteilos), seiderzeit auf Reisen in den USA, heißt es auf ddp-Anfrage. Und auch derOberbürgermeister der 37 000-Einwohner-Stadt, Michael Wolf (SPD), seiverhindert.

Der Sprecher des Thüringer Innenministeriums, Bernd Edelmann,versucht derweil zu erklären, warum die Nazis trotz des massivenProtestes aus verschiedenen politischen Richtungen in Altenburgaufmarschieren dürfen: «Das 'Fest der Völker' wurde von einem Gerichtals politische Veranstaltung festgestellt. Deshalb besteht dasGrundrecht der Versammlungsfreiheit, und es ist damit nicht zuverbieten.»

Auch der Stadt seien die Hände gebunden, argumentiert derenSprecher Christian Bettels. Man habe versucht, die Veranstaltung derRechten zu verhindern. Der Landrat aber habe klargestellt, dass dasProblem bei den Bundespolitikern in Berlin liege, die die NPD nochnicht verboten hätten. Nun müsse in Altenburg das ausgebadet werden,was in Berlin versäumt wurde.