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Streit um Experten Streit um Experten: Nächste Flut ohne Berater

Von Steffen Könau 01.04.2003, 18:41

Magdeburg/Dessau/MZ. - Er war der Retter. Und gleichzeitig der Mann, der alles Unglück verschuldete. Er saß als Experte für Strömungfragen im Krisenstab. Und hatte doch nach Ansicht anderer Krisenstäbler keinerlei Qualifikation für eine Beratungsfunktion.

An Gerhard Heinz, 49 Jahre alt und bei einer Dessauer Firma Chef-Entwickler für den so genannten Gegenkolbenmotor, schieden sich die Geister. Während der damalige Dessauer Regierungspräsident Friedrich Kolbitz Heinz die Stange hielt, sah der Wittenberger Landrat Hartmut Dammer einen Hochstapler am Werk in jenen bewegten Sommertagen des vergangenen Jahres, als die Flut bei Seegrehna stündlich anschwoll und guter Rat teuer war.

Er sei damals von der Bundeswehr gebeten worden, doch mit seinem Fachwissen und seinem Computerprogramm zur Strömungssimulation vor Ort zu helfen, erzählt Heinz selbst. Am Deich aber geriet der Helfer schnell zwischen die politischen Fronten: Dammer und Kolbitz stritten, wo welcher Damm am besten wie gesprengt oder geschlossen werden sollte, Gerhard Heinz gab Empfehlungen - und sah sich plötzlich mit Schlagzeilen über längst ausgestanden geglaubte Gerichtsverfahren wegen Steuerhinterziehung und Fördermittel-Zweckentfremdung konfrontiert. "Oh Gott, was ist das denn jetzt", habe er gedacht: "Ich habe doch nur helfen wollen, warum wollen die mich fertig machen?" Heinz, ein Mann mit pockernder Erfinder-Fantasie und knallbunter Vita, fühlte sich wie im falschen Film. In Bundeswehr-Uniform sei er am Deich aufgetaucht wie der Hauptmann von Köpenick, fachlichen Rat habe er gegeben, wo echte Experten gefragt gewesen wären. "Wir müssen jetzt natürlich die Frage stellen", sagt der Wittenberger PDS-Landtagsabgeordnete Matthias Gärtner, "wie es passieren konnte, dass ein durch nichts legitimierter Berater vor Ort wichtige Entscheidungen beeinflussen konnte." Er halte es für "außerordentlich problematisch", dass nicht der Landesbetrieb für Hochwasser, sondern ein "Mann mit dem Berufsabschluss Schlosser" in der Stunde der Gefahr eine wichtige Stimme im Krisenstab gehabt habe. "Das ist nicht die Schuld dieses Beraters, sondern die Verantwortung der Behörden." Niemand habe Heinz' Qualifikation geprüft. "Der war plötzlich da und durfte mitmachen." Falscher Rat aber, denkt Gärtner, hätte auch Menschenleben gefährden können: "So etwas muss ausgeschlossen werden."

Gerhard Heinz immerhin hat an der Richtigkeit seiner Ratschläge nie gezweifelt. "Ich verfüge über das einzige Ströumungssimulationsprogramm, das großflächige Hochwasser prognostizieren kann", versichert er selbstbewußt. Minutiös könne diese Software den Wasserstand an den sensiblen Stellen vorhersagen. "Und das war auch nur mein Verantwortungsgebiet: Die Schwachstellen benennen und präventiv verstärken."

Aus der Sicht des so harsch kritisierten Flut-Beraters ist das gelungen. "Andere, die sich jetzt mit Hochwasser-Medaillen schmücken lassen, hatten dagegen keinerlei Organisation in ihrem Laden", sagt er in Anspielung auf den so ausgezeichneten Hartmut Dammer. Vom gestern vorgelegten Abschlussbericht des Innenministers zum Thema Hochwasser 2002 sieht sich Heinz jedenfalls bestätigt, auch wenn der Bericht Entscheidungsträger diplomatisch mahnt, künftig müsse "sensibler mit externem Sachverstand umgegangen werden". Doch ein "Künftig" werde es für ihn sowieso nicht geben, versichert Gerhard Heinz. "So etwas tu ich mir nur einmal an."