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Stillgelegter Flughafen Cochstedt Stillgelegter Flughafen Cochstedt: Eine Bruchlandung im Gefängnis

Von Hajo Krämer 05.03.2003, 18:20

Magdeburg/MZ. - Am Aschermittwoch ist alles vorbei. So, wie Jörg Bartholomäus den Gerichtssaal am Mittwoch betreten hatte, verließ er ihn auch wieder: in Handschellen. Drei Jahre und sechs Monate Haft lautet gestern das Urteil gegen den Projekt-Manager des gescheiterten Flughafens Cochstedt.

Ein letzter Zeuge. Ein letztes Gutachten. Eine letzte Hoffnung. Alles zerplatzt wie eine Seifenblase. So wie das ganze schillernde Traumgebilde des Jörg Bartholomäus, der ab 1997 im Landkreis Aschersleben-Staßfurt einen boomenden Fracht-Flughafen aufbauen wollte. Fracht kam nie nach Cochstedt, nur ein paar kleine Flieger täglich. Dafür flossen 45 Millionen Mark vom Land Sachsen-Anhalt vor allem zum Neubau von Tower, Landebahn und Abfertigungsgebäude. Letzteres blieb Rohbau.

Vor einem Jahr wurde das gescheiterte Projekt stillgelegt, dann auch sein Projekt-Vater. Seit Juli 2002 sitzt Jörg Bartholomäus in Untersuchungshaft, seit Ende November wurde im Magdeburger Landgericht verhandelt. Gestern nun das Haft-Urteil wegen "schweren Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung", so die Richter. Sie sahen es als erwiesen an, dass Bartholomäus 1998 einen Kaufvertrag mit einer großen Schweizer Spedition über Grundstücke am Flughafen Cochstedt gefälscht und sich damit vier Millionen D-Mark Kredit (rund zwei Millionen Euro) von der Deutschen Bank erschlichen hat. Grund: Seine private Flughafenentwicklungsgesellschaft FE war ständig klamm und von Anfang an nicht in der Lage, ihren 15-prozentigen Anteil zur Gegenfinanzierung der Fördermillionen vom Land aufzubringen.

Im Prozess wurde das deutlich. Mehr als 20 Zeugen, nicht eine Entlastung. Von dem einst so charismatisch alles und jeden vereinnahmenden Geschäftsmann, von dem sich Lokal- und Landespolitiker von SPD bis CDU blauäugig eine Z-TITEL: "Er war sich bewusst, dass er keine Investoren hatte." Dirk Lemme

Arbeitsplatzmaschine für ihre wirtschaftlich angeschlagene Region erhofften, blieb nur noch ein einsamer, grauer Mann, der kleinlaut an seinem Füller drehte. Bartholomäus schrieb alles mit. Geholfen hat es nichts. Immer mehr verrannte er sich in seinem eigenen Fantasielabyrinth, in dem sich immer neue Sackgassen und Erinnerungslücken auftaten. Auf seine Frage, ob er mal etwas in den Raum stellen könne, antwortete der Vorsitzende Richter schließlich gereizt: "Bitte, aber nicht wieder in den Weltraum."

Das Plädoyer von Staatsanwalt Dirk Lemme, der vier Jahre Haft forderte, geriet gestern zur Standpauke. Der Angeklagte habe ständig versucht, sich als Betrogenen hinzustellen, der von zum Teil fiktiven Personen hinters Licht geführt worden sei. "Jörg Bartholomäus war sich aber bewusst, dass er keine Investoren hatte." Deshalb habe er den gefälschten Vertrag gebraucht, deshalb habe er sich Vertrauen bei Banken erschlichen. Unter anderem mit den Kauf von Anteilen an einer Luxusyacht, auf der er Bankenvertreter bewirtete. Die Verteidigung warb dagegen um Verständnis. Bartholomäus habe zwar viele zweifelhafte Kontakte gehabt, aber eine strafbare Handlung sei nicht zu erkennen, denn den Vertrag hätten andere gefälscht. Die Verteidiger plädierten auf Freispruch. Gegen das Urteil beabsichtigen sie Revision vor dem Bundesgerichtshof einzulegen.

Aber das scheint alles nur noch Geplänkel gegen den eigentlichen Vorwurf, der noch nicht verhandelt wurde: Subventionsbetrug. Durch Falschangaben über angeblich schon bezahlte Rechnungen für Bauarbeiten am Flugplatz soll Bartholomäus das Landesförderinstitut hintergangen haben. Mit einem Subventionsbetrugs-Verfahren würde eine der spannendsten Fragen bei der Aufarbeitung der Cochstedt-Pleite gestellt, wie heute arbeitslose Ex-Flughafen-Mitarbeiter hoffen: Wie war es möglich, dass Bartholomäus ohne Eigenkapital so lange unkontrolliert und selbstherrlich agieren konnte, ohne dass zum Beispiel der Aufsichtsrat der mehrheitlich kommunalen Flughafenbetreibergesellschaft HBG etwas mitbekommen konnte?

Der Misserfolg, sagen viele Geprellte, hat viele Väter. Nicht nur Jörg Bartholomäus. Ob es je eine weitere Anklage geben wird, das ist aber laut Staatsanwaltschaft noch offen. So offen wie die Frage, ob der stillgelegte Flughafen Cochstedt je wieder eröffnet werden kann.