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Städte-Rivalität Städte-Rivalität: Das große Sticheln

Von KATRIN LÖWE 27.07.2010, 20:46
Händel-Denkmal in Halle. Das Stadtzentrum in Halle mit der Marktkirche und dem Händeldenkmal. (FOTO: DPA)
Händel-Denkmal in Halle. Das Stadtzentrum in Halle mit der Marktkirche und dem Händeldenkmal. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

HALLE/MAGDEBURG/MZ. - E-Mail von derSaale an die Elbe: Suchen für Reportage einmagdeburg-hallesches Pärchen. Grinsende Antwortaus Magdeburg: "Kenne keine Leute aus Halle.Mit denen paart sich doch keiner!" Uff, dassaß. Die Hallenser und die Magdeburger, diemögen sich nicht? Na gut, wenigstens nichtimmer. Sie sticheln gern - freilich nichtüber Alt oder Kölsch wie in Düsseldorf undKöln. Und sie regen sich manchmal auch richtigauf. Beileibe nicht nur die Fußball-Fans mitihrer in Stein gemeißelten Rivalität zwischenden "Bauern" respektive "Maggis" und denenaus "Merseburg-Nord".

Dabei ist es doch kein Wunder, dass sich Magdeburgerund Hallenser nicht verstehen - im wahrstenSinne des Wortes. Zwischen beiden Städten,sagt Sprachwissenschaftlerin Saskia Luthervon der Uni Magdeburg, läuft immerhin diewichtigste Sprachgrenze im deutschen Raum:die "ick-ich-Linie". Die teilt den niederdeutschenSprachteil (Magdeburg) vom hoch- beziehungsweisemitteldeutschen (Halle). Und weil sich auchnoch eine städtisch gebundene Umgangsspracheentwickelt hat, "klingt magdeburgisch ebenganz anders als hallesch", sagt Luther. Beimanchen Wörtern droht gar Schulterzucken:Der Magdeburger kennt den Begriff Schlippefür die kleine Gasse nicht, der Hallenserwürde im Lokal wohl nie Bötel bestellen, sondernschlicht Eisbein. Ergo: Das kann doch einfachgar nicht klappen mit der Verständigung.

Ernst ist Schuld

Das bisweilen miese Klima zwischen Saaleund Elbe könnte man andererseits genau sogut auf Ernst II. von Sachsen schieben. SeinesZeichens Magdeburger Erzbischof und derjenige,der als Lachender Dritter einst aus der Feindschaftzwischen Halles Innungen und den Pfännernhervorging und (als 14-Jähriger!) mit seinenBeratern und Truppen 1478 die Stadt besetzte.Halle verlor seine Selbstständigkeit - dakann man schon mal grollen...

Zugegeben: So richtig los ging es wohl erst1990 wieder. Da gewann Magdeburg mit Schützenhilfeaus Dessau das Duell um den Landessitz. Dabeiwussten die Hallenser doch, wie es geht: 1946/47,im Gegensatz zu Magdeburg im Weltkrieg nichtnahezu völlig zerbombt, wurde die Stadt ander Saale erste Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts- wenn auch nur für gut fünf Jahre bis zurBildung der DDR-Bezirke. Rivalität? "Kaum",sagt die hallesche Politologin Christina Trittel.

Seit der Wende aber, da geht es nun hoch her.Da wird gestichelt und gefrotzelt, auch ernsthaftum Gleichbehandlung gestritten. Um Halle,die Kulturhauptstadt des Landes s>mit ihrenjährlichen Händelfestspielen, und die StadtMagdeburg, die alle zwei Jahre ihrem Telemannfrönt. Um die 1993 gegründete Universitätim Norden, die sich gegen die Jahrhundertealte Martin-Luther-Uni im Süden zu behauptensucht. Um Geld für Stadtsanierung. Oder (ganzwichtig!) Fußballstadien. Beschwerte sichdoch Magdeburgs Oberbürgermeister anno 2005,dass seine Stadt das neue Stadion selbst finanzierenmüsse, während das in Halle gefördert wird.Die Watsche - vom halleschen Minister - kamprompt: OB Trümper wolle nur Rivalität schüren,Sportstätten-Geld gebe es für beide Städteganz sicher in gleicher Höhe.

Stichwort Höhe: Die erreichte manch Streittatsächlich. "Entführung!", "Affront!" empörtensich die Landeshauptstädter 2009 lautstark,als die Gebeine von Königin Editha im 1000Jahre alten Sarg klammheimlich zur Untersuchungins Landesmuseum Halle gebracht und dort präsentiertwurden. Magdeburg, dem oft nachgesagt wird,unter der Unscheinbarkeit seiner Stadt zuleiden, fühlte sich seiner Identität beraubt- ausgerechnet von Halle. Medien machten ausdem Land der Frühaufsteher ein Land der Frühaufreger.Und die wurden fix grundsätzlich: "Wie langemuss Magdeburg noch an Halle zahlen wegender verlorenen Wahl Halles zur Landeshauptstadt?",wetterte das Volk im Norden - auch gegen die"halle-freundliche Landesregierung".

90 Kilometer südlich tönt es anders: von wegenhalle-freundlich! Das Landesamt für Statistik,heißt es unter anderem in einem Internetforum,trickse gar bei Einwohnerzahlen, um Magdeburgzu bevorteilen. Bernd Fucke, Dezernatsleiterin diesem Amt, kontert: "Wir sitzen seit Jahrenin Halle. Wenn, müssten wir doch Interessean Halle haben." Sei’s drum: Die Saalestädterfinden auch andere Beispiele. Hallesche Luftbilderim virtuellen Globus Google-Earth seien imFrühjahr entstanden, Magdeburger im Sommer.Verschwörung wittert mancher - um das vermeintlichstets neidische Magdeburg grüner und schöneraussehen zu lassen.

Auf der anderen Seite ist der Magdeburger"not amused" darüber, wie Halle mit Geschenkenwie der Halbkugel-Skulptur umgeht. 2006 schonkurz nach der Aufstellung auf dem Riebeckplatzvon Unbekannten demoliert, verschwand sie2009 gar gänzlich in der Versenkung, währenddie Hallenser noch eifrig debattierten. Dereine wollte die "trojanischen Pferdeäpfel"am liebsten die Elbe hoch gen Magdeburg schwimmenlassen, der andere mochte sie, weil sie den"leckeren Hallorenkugeln" so ähnlich sehen,der nächste fand den Umgang damit schlichtblamabel. Wie dem auch sei: Jetzt stehen dieHalbkugeln ja wieder, auf halleschem Uni-Gelände.

Rivalität hat auch was Gutes

Warten wir also ab, was als nächstes kommt.Und ärgern uns nicht: "Rivalität zwischenStädten gibt’s überall, da reichen oft kleineReize", sagt die hallesche SozialpsychologinClaudia Dalbert. Ohne die würden der Magdeburger"Volksstimme" auch glatt die Aprilscherzeausgehen. Sie könnte weder süffisant behaupten,Halles großer Sohn Händel hätte eine Liebes-Odean Magdeburg geschrieben (2009), noch ihreFußballfans zur Schnappatmung bringen mitder Ankündigung, der HFC trage seine Heimspielebald in Magdeburg aus (2010). PsychologinDalbert sieht übrigens mit Augenzwinkern aucheinen guten Rivalitäts-Effekt: Dass sich Menschenmit ihrer Stadt identifizieren "ist gut fürsSelbstwertgefühl." Na bitte!

Wäre Magdeburg schön, würde es Halle heißen.
Und das Schönste an Halle ist die Autobahn nach Magdeburg.

Seit Jahrenstehen solche Sprüche für die Rivalität derbeiden größten Städte im Land. Erst kürzlich,als in Halle die Magdeburger Halbkugeln einenneuen Platz bekamen, flammte die Debatte wiederauf. Woher kommt der Zwist? Gibt es ernstzunehmendeGründe oder wird die Diskussion nur durchVorurteile geprägt? Die MZ fragt nach undberichtet in dieser Woche - natürlich miteinem Augenzwinkern.

Diskutieren Sie mit: Was ist loszwischen den Hallensern und den Magdeburgern?Schreiben sie an:

Mitteldeutsche Zeitung, Redaktion Leserbriefe,06075 Halle oder per E-Mail an [email protected]

Blick auf den Dom «Sankt Katharina und Sankt Mauritius» in Magdeburg. ARCHIV (FOTO: DPA)
Blick auf den Dom «Sankt Katharina und Sankt Mauritius» in Magdeburg. ARCHIV (FOTO: DPA)
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Magdeburger Halbkugeln als Miniaturausgaben. ARCHIV (FOTO: DPA)
Magdeburger Halbkugeln als Miniaturausgaben. ARCHIV (FOTO: DPA)
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