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Staatliche Hilfe Staatliche Hilfe: Das Leben in der Dunkelheit ist teuer

Von Ute Albersmann 12.01.2003, 17:40

Magdeburg/MZ. - Hellgrau. Dunkelblau. Dunkelgrün. Was aussieht wie eine Fernbedienung für den Fernseher, ist eine Verbindung in die Welt der Farben. Es meldet sie per Computerstimme. Heinz Hosang hat es in der Hand, wenn er vor dem Kleiderschrank steht. Hemd und Hose sollen schließlich zueinander passen. Der 61-Jährige ist blind und lebt allein. Kostspielige Technik erleichtert ihm das.

600 Euro kostet das Blutdruckmeßgerät mit Sprachmodul, das er als Diabetiker braucht, und über 800 Euro der Blutzucker-Tester. Die Krankenkasse zahlt nicht immer, oder sie erstattet nur Teilbeträge. "Ich komme ganz gut zurecht", sagt der Magdeburger. Er liebt Konzert- und Theaterbesuche, regelmäßig steht Kegeln auf dem Programm. "Die Kugeln muss man mir anreichen." Wie viel Kegel dann fallen, "das hört man schon". Im Haushalt helfen sprechende Küchengeräte, der Computer ist der Nabel zur Welt. Spezialprogramme lesen den Text der Dateien auf dem Bildschirm vor, eine Braille-Zeile als Zusatz zur normalen Tastatur übersetzt in Blindenschrift. Doch Technik ist eben nicht alles. Beim Einkaufen ist es wie beim Sport - "ohne Begleitung unmöglich". 723 Euro Mehrbedarf pro Monat hat ein blinder Mensch im Schnitt. Das hat Sachsen-Anhalts Blinden- und Sehschwachenverband errechnet. Kosten für Spezialgeräte und für Haushalts-Hilfen, Begleiter bei Einkäufen und Arztbesuchen, für Telefontechnik . . . Das summiere sich auf 526 bis 920 Euro monatlich. Bei Alleinlebenden sei die Summe oft besonders hoch.

Blindengeld gleicht als staatliche Leistung einen Teil dieser Zusatz-Kosten aus. Dass das so zu sein hat, legt ein Bundesgesetz fest. Wie viel konkret bezahlt wird, entscheiden die Länder. Sachsen-Anhalt zahlt bisher 430 Euro. Nur Sachsen, Brandenburg, Bremen und Baden-Württemberg geben weniger. Jetzt soll der Betrag gesenkt werden - auf 333 Euro. "Das kostet Lebensqualität", sagt Heinz Hosang. Eine Erbkrankheit hat ihm vor 20 Jahren das Augenlicht genommen - erst schleichend, dann immer schneller. Er engagiert sich im Blinden- und Sehschwachenverband, hilft anderen blinden Diabetikern. Leistungen nach dem Sozialhilfe-Gesetz stünden als Ersatz für gekürztes Blindengeld nur denen zu, die überhaupt nichts auf der hohen Kante haben, sagt er. Dabei habe sich doch jeder bemüht, etwas zurückzulegen, "damit man sich abgesichert fühlt". Weit über 30 Jahre hat er bei Minol, später bei Elf aquitaine, gearbeitet. Rente und Blindengeld reichen heute nicht, um die laufenden Kosten zu decken. "Man ist nur blind. Aber das ist teuer." Monat für Monat lässt er sich einen Fixbetrag vom Ersparten auszahlen. "Den Betrag muss ich jetzt wohl erhöhen."

Dass es doch noch eine gute Wendung geben könnte und das Land auf die Kürzung des Blindengeldes verzichtet - Heinz Hosang, der Anfang Dezember mit zum Gespräch beim Ministerpräsidenten war, glaubt es nicht. Wenn er trotzdem Hoffnungen in das Jahr 2003 setzt, dann, weil mit dem 1. Januar das Europäische Jahr der Behinderten begonnen hat. Offiziell wird es im kommenden Monat eröffnet - in Magdeburg. Hosang hat mehr als einmal erlebt, "dass nicht gefragt wird: Wen vertreten sie? Sondern nur: Wie viele vertreten sie?" Wenn jetzt die Situation aller Behinderter in ganz Europa im Blick sei, "dann kann das nur gut sein."