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Sperrung der Autobahn 9 Sperrung der Autobahn 9: Riesenparkplatz Autobahn

Von Katrin Löwe 27.07.2014, 18:05
Autos, wohin man blickt: Bis auf zehn Kilometer staute sich der Verkehr am Samstag.
Autos, wohin man blickt: Bis auf zehn Kilometer staute sich der Verkehr am Samstag. Thomas Ruttke Lizenz

Halle (Saale) - Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate wurde am Wochenende die Autobahn 9 zwischen Bitterfeld-Wolfen und Dessau-Süd wegen Brückenarbeiten gesperrt - am Samstag in Richtung Berlin. Unsere Reporterin hat getestet, wie es voranging.

13.18 Uhr: Auffahrt Wiedemar. Mein Laune-Pegel ist noch im grünen Bereich, so schlimm wird’s schon nicht werden, denke ich. Nach vier Kilometern steht die erste Stauwarner-Anzeige. Neun Kilometer Stau, heißt es im Radio.

13.23 Uhr: Ich komme an die Abfahrt Halle - meine letzte Chance, die Aktion abzubrechen. Aber ich bleibe auf der A9. Und stehe kurz hinter der Abfahrt im Stau. Kurzes Nachdenken: welche Spur? Egal, beschließe ich. Es wird sein wie an Supermarktkassen - in den anderen Schlangen geht es immer schneller. Vor allem tut es das in der Einfädelspur von der Auffahrt wenig später. Ist doch hinter mir einer rechts ausgeschert, um über die Spur ein paar Meter zu schinden! Ich bin sicher, dass in meiner Fahrschule die Bedeutung von Sperrlinien durchgenommen wurde. Werde ich jetzt schon zynisch?

13.43 Uhr: Zwanzig Minuten für nicht einmal zwei Kilometer. Das hier ist die Art Stau, in der man keine Freundschaften schließen kann, weil man nicht lange genug steht, um ein Schwätzchen zu halten. So richtig vorwärts geht es aber auch nicht. Zehn Sekunden Stopp, gefühlt zehn Meter fahren. Noch aber bin ich entspannt und beobachte. Im Auto links schläft die Beifahrerin mit offenem Mund. Leipziger Kennzeichen - die schwächelt früh. Spannend wird es im gelben Panda vor ihr. Der Fahrer zieht sein T-Shirt aus, fährt nun mit nacktem Oberkörper. Scheint keine Klimaanlage zu haben, der Arme. Ich übe mich nebenbei ein bisschen im Kennzeichen-Raten. NES? Kreis Rhön-Grabfeld in Bayern, finde ich viel später heraus. Wer soll das wissen? Spaß macht das so nicht.

14 Uhr: Notiz an mich selbst: Unbedingt meinen Freunden danken, dass sie den gemeinsamen Ostsee-Urlaub erst im August einplanen konnten. Wenn ich jetzt noch bis da hoch müsste… Rechts und links von mir fahren etliche Familien mit Kindern - eine hat ein Boot auf dem Anhänger. Mein Tageskilometerzähler sagt, dass ich seit 2,3 Kilometern im Stau bin. Fast 40 Minuten - zu Fuß wäre ich wohl schneller. Es hakt zunehmend.

14.25 Uhr: Die Raststätte Köckern naht, ich sehe das Schild: noch ein Kilometer. Rechts von mir scheren etliche auf die Standspur aus, um schneller dort zu sein. Ich bleibe, wo ich bin. Es schadet übrigens nicht. Auf der Standspur machen die Eiligen bald das, was man auf einer Standspur eben macht: stehen. Jetzt klemmt es also in vier Reihen. Im grünen Bereich ist mein Laune-Pegel nicht mehr. Neben mir wirbt ein Kleinbus: „Berlin-Stuttgart in nur 5,5 Stunden“. Das wird heute nichts.

14.45 Uhr: Pause, es geht raus auf den Rastplatz. Blöde Idee, ganz blöde Idee! Ich ahne es, als ein Autofahrer falsch herum versucht, zurück auf die A 9 zu kommen. Dann stecke ich drin, mitten in der Falle. Es geht nicht vor, nicht zurück. Der komplette Rastplatz ist ein einziger Haufen Blech. Wer hier abkürzen wollte, hat mit Zitronen gehandelt. Hinter mir verliert ein Lkw-Fahrer die Nerven. „Wir müssen weiter!“ brüllt er mich wütend an, als ich fünf Meter neben meinem Wagen auf der Wiese stehe. Mein Hinweis, dass sich vor mir seit fünf Minuten kein Rad dreht und es nicht hilft, wenn sich mein Auto in Luft auflöst, kann ihn nicht besänftigen.

Auf der nächsten Seite erfahren Sie, wie die Stimmung auf dem Rasthof ist und wie gut es auf der Umleitungsstrecke voran geht.

15 Uhr: Ich habe 100 Meter auf dem Raststättengelände zurückgelegt und einen Platz am Rand gefunden. Quer vor mir steht eine Autoschlange, die aussieht, als wäre die Fahrspur jetzt Parkraum. Offene Türen, Menschen wie Jana Popp (35) aus Ilmenau, die hinterm Steuer ihr Buch liest. Aber weit gefehlt: Das hier ist die Schlange derer, die zurück auf die A9 wollen und nicht können. „Eine Stunde wird“s wohl noch dauern“, sagt Popp - und ist froh, dass der neun Monate alte Sohn durchhält. Bis Greifswald soll es gehen. Um die Ecke sitzen junge Leute auf der Bordsteinkante. Na, Päuschen? Nein, auch warten. Aller halbe Stunde geht es zwei Autolängen vorwärts, erzählen die Erfurter - dann steigt einer von ihnen kurz ins Auto und zieht nach. Bis zum Ostsee-Urlaub in Rostock hat die Truppe noch einiges vor sich. Mit Mitte 20 gelingt es aber halbwegs, aus dem Chaos auch etwas Party zu machen.

15.20 Uhr: Stichwort Party: Zu einer solchen wollen Adolf Hofmann aus Plauen und Klaus Flämig aus Ilmenau, die sich zufällig hier getroffen haben. 13.30 Uhr sollten sie in Dessau auf der gleichen Geburtstagsfeier sein. „Das ist doch ein Skandal, an einem Sonnabend in den Ferien die Autobahn zu sperren“ schimpft Flämig. Seit Mittag hänge er auf dem Rastplatz fest. Hofmann ist seit anderthalb Stunden da. „Wir hätten weiter fahren sollen, aber wir mussten raus“, sagt er. Die Blase… Die Damen an der Seite der beiden haben sich beim Geburtstag als verspätet gemeldet. „Hoffentlich kommen wir wenigstens noch zum Grillen.“ Der Enkel im Auto langweilt sich.

15.55 Uhr: Immer noch Parkplatz. Aber: Imbiss, Toilette - jetzt ist alles erledigt. Ich steige ins Auto, scheine eine schnellere Schlange zu erwischen, weil ich das Tankstellengelände gemieden habe. Nach gut zehn Minuten bin ich auf der Autobahn. Vielleicht hat geholfen, dass die Polizei dort jetzt die rechte Spur gesperrt hat, um denen vom Rastplatz eine Chance zu geben. Knapp drei Kilometer noch bis zur Abfahrt Bitterfeld-Wolfen.

16.40 Uhr: Vor mir taucht ein Schild auf, das die Abfahrt in 500 Metern ankündigt. Eben bin ich noch an zwei LED-Anzeige-Wagen vorbeigeschlichen, die die Verringerung der Spuren ankündigen – samt Tempolimit von 100 beziehungsweise 80 Kilometer pro Stunde. Danke für den Hinweis, denke ich. Ich wäre glatt in Versuchung geraten zu rasen. Wobei: Die letzten 100 Meter vor der Abfahrt gerate ich in einen wahren Geschwindigkeitsrausch. Tempo 50!

16.51 Uhr: Es geht auf die B 183 in die Umleitung. Zügig, echt zügig.

17.15 Uhr: Auf der Landstraße nach Salzfurtkapelle klemmt es. Die letzte Viertelstunde habe ich mit Tempo zehn bis 15 zurückgelegt, jetzt steht alles. Das ist die Gelegenheit, Mamas Kuchen aus dem Kofferraum zu holen. Im Radio heißt es, es gehe auf der Umleitung „ganz gut“ voran. Wie man „ganz gut“ eben definiert. Beim Abzweig auf die Landstraße zur B 184 zieht das Tempo nochmal an. Es bleibt aber ein kurzer Mutmacher.

17.49 Uhr: Ich bin auf der Bundesstraße. Jetzt steht mir nur noch das letzte Stück bis Dessau-Süd bevor.

17.55 Uhr: Geschafft! Dessau-Süd ist erreicht. Gedanklich winke ich meinen Staugefährten hinterher und biege auf die Autobahn Richtung München, um nach Hause zu fahren. Inklusive Pause habe ich viereinhalb Stunden von Halle bis Dessau-Süd gebraucht - ohne Rast samt Chaos wären es gut dreieinviertel gewesen. Zurück geht das Ganze in gut zehn Minuten, vorbei an der Brücke, wegen der die A 9 gesperrt ist, um ein Gerüst zu demontieren. Es ist über der Berliner Spur fast weg. Dahinter sind in Gegenrichtung noch sechs Kilometer Stau. (mz)

Eine Gruppe junger Leute aus Erfurt ist im Gegensatz zu vielen anderen trotz der langen Wartezeiten auf dem Rastplatz Köckern noch ganz gut gelaunt. Die Urlauber wollen noch bis nach Rostock.
Eine Gruppe junger Leute aus Erfurt ist im Gegensatz zu vielen anderen trotz der langen Wartezeiten auf dem Rastplatz Köckern noch ganz gut gelaunt. Die Urlauber wollen noch bis nach Rostock.
Löwe Lizenz
Der Grund für das Stauchaos war diese Brücke bei Zschepkau, an der Gerüste demontiert wurden.
Der Grund für das Stauchaos war diese Brücke bei Zschepkau, an der Gerüste demontiert wurden.
Thomas Ruttke Lizenz
Die Umleitungsstrecke bei Löberitz: Alles steht wieder.
Die Umleitungsstrecke bei Löberitz: Alles steht wieder.
Löwe Lizenz