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Sargpflicht bleibt Sargpflicht bleibt: Beisetzung in aller Stille

Von Hendrik Kranert-Rydzy 13.07.2015, 18:14
Ein Sarg steht auf der Ladefläche eines Leichenwagens.
Ein Sarg steht auf der Ladefläche eines Leichenwagens. dpa/symbol Lizenz

Magdeburg - In Sachsen-Anhalt ist erneut der Versuch gescheitert, das Bestattungsgesetz des Landes zu liberalisieren. CDU und SPD lehnten es im Sozial- und im Rechtsausschuss des Landtages ab, sich weiter mit den Gesetzentwürfen von Grünen und Linken zu befassen. Beide Fraktionen hatten vor einem Jahr Entwürfe vorgelegt, das seit 13 Jahren unveränderte Gesetz zu ändern. 2005 war Ex-Sozialminister Gerry Kley (FDP) mit einem solchen Plan gescheitert.

Entsorgung im Klinikmüll

Damit können auch künftig Fehlgeburten, die unter 500 Gramm wiegen, mit dem Klinikmüll entsorgt werden - einen Zwang zur Bestattung, wie ihn die Linke gefordert hatte, wird es nicht geben. Auch der Wunsch vieler Angehöriger, die Urne von Verstorbenen mit nach Hause zu nehmen und in der Wohnung aufzubewahren oder im eigenen Garten zu bestatten, ist weiter nicht möglich. Die Grünen wollten sogar noch weitergehen und die Asche von Verstorbenen auf deren Wunsch hin auch in der freien Natur verstreuen lassen - auch das bleibt tabu. Gleiches gilt auch für die selbst von den beiden christlichen Kirchen im Land gutgeheißenen Abschaffung der Sargpflicht für Muslime.

„Das ist enttäuschend, ich hatte wenigstens erwartet, dass Sachsen-Anhalt mit anderen Bundesländern gleich zieht und die Sargpflicht für Angehörige meiner Glaubensgemeinschaft abschafft“, sagte der Vorsitzende der Islamischen Gemeinde Magdeburg, Moawia Al-Hamid. Es gehe um ein Zeichen der Anerkennung für die Muslime in Sachsen-Anhalt. Man sei nun weiter gezwungen, bei Todesfällen in andere Bundesländer oder gar ins Ausland auszuweichen. Al-Hamid berichtete von einem Vater, der eigens sein Baby nach Ägypten zur Bestattung überführt habe. In anderen Fällen behelfe man sich, in dem Erde in den Sarg des zu Bestattenden gefüllt werde. Der Islam sieht eine Bestattung nur im Leichentuch vor.

Eine zweite Leichenschau, wie sie etwa in Sachsen gesetzlich vorgeschrieben ist, fällt mit der fehlenden Novellierung des Bestattungsgesetzes in Sachsen-Anhalt unter den Tisch. Diese Forderung von Rechtsmedizinern, der von den Linken unterstützt wird, rührt aus einer Vielzahl von Fällen, bei denen Leichname ohne Feststellung einer eindeutigen Todesursache bestattet werden. Nach einer Studie der Uni Münster kommt es in Deutschland jährlich „zu mehr als 11 000 übersehenen, nicht natürlichen Todesfällen, darunter mindestens 1 200 nicht erkannte Tötungsdelikte“. So war etwa im Fall der im Jahr 2014 ermordeten Studentin Mariya N. aus Halle vom Notarzt zunächst kein Tötungsverbrechen erkannt worden. Daher sollte die erste Leichenschau nur noch von Rechtsmedizinern oder qualifizierten Fachärzten vorgenommen werden. (hk)

Dabei hatte selbst die CDU erkennen lassen, die Sargpflicht für Muslime lockern zu wollen. „Wir sind dafür offen“, hatte Fraktionschef André Schröder noch Ende März gesagt. Das gelte zwar weiter, sagte Schröder gestern: „Aber viele geplante Änderungen werfen zahlreiche auch rechtliche Fragen auf.“ Für diese Klärungen benötige man noch Zeit. SPD-Sozialpolitikerin Petra Grimm-Benne, die sich vehement gegen eine Lockerung des Friedhofszwangs ausgesprochen hatte, äußerte sich gestern nicht.

„Die Koalition blockiert nur noch, ohne sich mit Sachargumenten auseinanderzusetzen“, sagte Eva von Angern, Rechtspolitikerin der Linken. Dabei habe eine Anhörung im Landtag deutlich gemacht, dass es einen breiten gesellschaftlichen Konsens zur Lockerung des Bestattungsrechts gebe. Auch Cornelia Lüddemann (Grüne) zeigte sich enttäuscht, dass nicht einmal die unstrittigen Teile der Gesetzentwürfe umgesetzt würden. Sie habe zwar nicht damit gerechnet, sich in den Verhandlungen mit allen Forderungen durchsetzen zu können. „Aber die Koalition hat das Bestattungsgesetz mit Pauken und Trompeten in Gänze beerdigt.“

Widerstand von Bestattern

Der größte Widerstand gegen eine Änderung des Gesetzes war auf einer Anhörung im Landtag von Bestatter-, Steinmetz- und Friedhofsgärtner-Verbänden gekommen - die insbesondere wirtschaftliche Erwägungen vortrugen. Dem gegenüber hatten Katholische und Evangelische Kirche davor gewarnt, mit der Abschaffung des Friedhofszwangs - der nur für Urnen geplant war - die Erinnerungskultur aufs Spiel zu setzen. (mz)