Silvester ausgebucht Früheres Stellwerk Frose an Bahnstrecke Halle-Wegeleben wird zur Ferienwohnung: Bernd und Susan Bruder sind Vermieter

Frose - Susan Bruder lehnt sich auf das Schild, auf dem in dicken Lettern der Ortsname Frose steht. Direkt dahinter ist eine der ungewöhnlichsten und wohl auch kleinsten Ferienwohnungen der Region versteckt: das alte Stellwerk, in dem früher an der Bahnstrecke zwischen Halle und Wegeleben die Weichen gestellt, Signale gezogen und die Schranken überwacht wurden.
Jetzt ist darin ein Mini-Hotelzimmer mit bequemer Schlafcouch und Kaminofen, Fernseher und Essbereich, Badezimmer und Küche untergebracht. Ganz gemütlich können Gäste hier seit wenigen Tagen ihren Urlaub verbringen. Eisenbahn-Romantik sozusagen.
Das Stellwerk am Bahnübergang wurde im Laufe mehrerer Jahre saniert
„Warum mein Mann das damals gekauft hat, das weiß ich gar nicht so recht“, gesteht die Froserin, deren Partner das Stellwerk am Bahnübergang nach Hoym über Jahre in seiner Freizeit und in Handarbeit saniert, ausgebaut und vermutlich auch gerettet hat. Denn an dem zweiten Übergang Richtung Aschersleben wurde zu dieser Zeit - also vor sieben Jahren - das andere Stellwerk des Ortes abgerissen.
Ein hübscher Fachwerkbau mit kleinen Erkern, vielen Fenstern und dem Ortsschild, das jedem heimkehrenden Froser das Gefühl von Heimat gab. Ein letztes schweres Unwetter hatte dem damals schon lange stillgelegten Stellwerk weiter zugesetzt, so dass die Deutsche Bahn AG das Gebäude abreißen ließ.
Susan Bruder vermutet, dass das auch ihrem Mann wehgetan hatte und er wenigstens das zweite, viel kleinere Stellwerk bewahren wollte. Als offizieller Grund galt allerdings das Hobby des 58-Jährigen, der auch Jäger ist. „Er hat im unteren Bereich sein Jagdzimmer eingerichtet. Und bei Familienfeiern haben wir jetzt einfach mehr Platz“, verrät die Froserin. Zudem sei es eine schöne Aufgabe für ihn gewesen. „Er puzzelt so gerne“, sagt die Buchhalterin.
Bernd Bruder besserte das Fachwerk aus und baute neue Fenster ein
Und so konnten Passanten Bernd Bruder in den letzten Jahren sehen, wie er das mit Backstein verfüllte Fachwerk verfugte und die dicken Bruchsteine, schadhafte Stellen ausbesserte, gestrichen oder neue Fenster eingesetzt hat. Und entkernt. „Denn hier oben waren noch die ganzen Hebel drin und unten hingen die Gewichte.“
Die schmale, überdachte Treppe, die im Außenbereich des etwa zehn Meter langen und nur drei Meter schmalen Stellwerkes ins Obergeschoss führt, ist mit Blumenkörben und Raben dekoriert. Draußen gibt es nun eine Terrasse und eine Hirschraufe mit Grillplatz, den direkten Zugang zum Froser See und Kirchturmblick.
Dass aus dem oberen Bereich eine Ferienwohnung werden sollte, die am Ende größer wirkt, als man es von außen vermutet, war lange nicht klar. „Doch durch den See direkt vor der Haustür und die vielen Fahrradtouristen haben wir uns am Ende dafür entschieden“, sagt die 51-Jährige. „Das ist nämlich was Ungewöhnliches“, findet sie und hat recht.
„Von anderen Ferienwohnungen in Stellwerken wissen wir eigentlich nichts“, sagt Erika Poschke-Frost, die für Sachsen-Anhalt zuständige Pressesprecherin der Deutschen Bahn AG. Aber der Bahnhof Etgersleben soll sehr schön gestaltet sein.
Das Unternehmen würde sich jedenfalls freuen, wenn für seine alten, nicht mehr benötigten Immobilien spannende Nachnutzungsideen entwickelt würden, sagt sie weiter. Dafür hat die Bahn im Internet unter www.bahnliegenschaften.de sogar einen ganzen Marktplatz eingerichtet. Verkauft werden hier nicht nur Bahnhöfe und alte Stellwerke, wie in Frose, sondern manchmal sogar stillgelegte Bahnstrecken.
Bahn-Sprecherin lobt die Umnutzung der Immobilie und verweist auf weitere Objekte
Für manche der nicht mehr gebrauchten Gebäude gibt es ein zweites Leben. Die Deutsche Bahn AG spricht von Künstlerateliers und Bibliotheken, von Rathäusern und Kindergärten, die dort schon untergekommen sind. Und die Mitarbeiter zeigen sich neugierig, mit welchen Ideen weitere alte Bahngebäude aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden sollen.
So wie das alte Froser Stellwerk, das im Jahr 2000 stillgelegt wurde. „Mit dem Bau neuer elektronischer Stellwerkstechnik wurde die Leit- und Sicherungstechnik auf der Strecke modernisiert und in Sandersleben ein elektronisches Stellwerk errichtet. Dadurch wurde das Froser Stellwerk nicht mehr gebraucht“, sagt Erika Poschke-Frost.
Die ersten Übernachtungsgäste gibt es jedenfalls schon. „Für Silvester haben wir es bereits verbucht“, sagt Susan Bruder. Angst vor dem Lärm vorbeifahrender Züge müssten die Gäste aber nicht haben. „Man hört die überhaupt nicht. Die Steine sind so dick, kein Wackeln, kein Ruckeln“, sagt Susan Bruder, die den Schlaftest höchstpersönlich absolviert hat. (mz)