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Sachsen Sachsen: Neue Initiativen für abgebaggertes Dorf

Von Anett Böttger 16.11.2009, 09:15
Schaulustige stehen Anfang 2004 zum offiziellen Beginn der Flutung am Ufer des Berzdorfer Sees. (FOTO: DDP)
Schaulustige stehen Anfang 2004 zum offiziellen Beginn der Flutung am Ufer des Berzdorfer Sees. (FOTO: DDP) ddp

Görlitz/dpa. - Das evangelische Gotteshaus wurde 1998 direkt neben den Plattenbautenaus sozialistischen Zeiten eingeweiht. Im Wohngebiet Königshufenentstand es als äußerliche Kopie der Barockkirche von Deutsch-Ossig,die wie der überwiegende Teil des Dorfes dem Braunkohletagebau imSüden weichen musste. Das Gebäude stehe symbolisch für Zerstörung undBewahrung, die mit Bergbau und Energiegewinnung in der Lausitzverbunden seien, sagt Regionalbischof Hans-Wilhelm Pietz.

Aus unmittelbarer Nähe hat Simone Drescher seinerzeit beobachtet,wie die Kirche von Deutsch-Ossig Stück für Stück verschwand. Die 42-Jährige wohnte damals unweit des 1988 entwidmeten Gotteshauses. 1991verließ sie den Ort ihrer unbeschwerten Kindheit und Jugend. DieFamilie bezog eines der knapp 50 Doppelhäuser, die für Umsiedler imGörlitzer Ortsteil Kunnerwitz gebaut wurden. Allerdings fühlt sichdie Mutter von zwei Söhnen mit ihrem jetzigen Wohnort wenigerverbunden. «Mir fehlt das Dorfleben von Deutsch-Ossig», gesteht sie.

Mit diesem Gefühl ist sie nicht allein. «Die Deutsch-Ossigersuchen nach Punkten, wo sie sich wiederfinden», hat die agile Fraufestgestellt, die den 2004 gegründeten Verein Altes und neuesDeutsch-Ossig leitet. Seine Mitglieder bemühen sich, ab und zu wiederfür Leben an dem Ort zu sorgen, von dem der Bergbau nur Reste übrigließ. Am Berzdorfer See, der aus der Grube entsteht, organisiert derVerein regelmäßig Feste und Veranstaltungen. «Wir wollen die Leuteheimholen», sagt Drescher. Nach anfänglicher Skepsis gelinge diesimmer besser. Immer mehr Zuspruch finde auch die jährlicheAdventsfeier für die frühere Pfarrgemeinde.

Zwischen 1988 und 1991 gaben etwa 700 Einwohner ihre Häuser inDeutsch-Ossig auf, um Platz zu machen für den vorrückenden TagebauBerzdorf. An das frühere Dorf mit Schule, Post, Geschäften, Gärtnereiund Gaststätte erinnern nur noch wenige leerstehende Häuser. Derparteiloser Bürgermeister von Schönau-Berzdorf, Christian Hänel,wünscht sich an der Stelle ein Künstlerdorf mit Gastronomie undHandwerk. «Das würde sich anbieten», so der Seen-Projektkoordinatorim Landkreis Görlitz. Der verwaiste Ort zwischen Seeufer und derBahnlinie nach Zittau sei als Ausflugsziel längst stark frequentiert.

Hänel bedauert die bisher eher stiefmütterliche Behandlung vonDeutsch-Ossig. Eine Straße und einen Parkplatz gebe es schon, an dieErschließung sei nicht vor 2012 zu denken. Einige Grundstücke wurdenbereits verkauft, andere Flächen gehören nach wie vor der Lausitzerund Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft, die für dieSanierung des stillgelegten Tagebaus zuständig ist. Auch der Vereinum Simone Drescher hätte gern ein eigenes Haus vor Ort, fürBegegnungen und Ausstellungen, mit Galerie und Heimatstube. Dasscheiterte jedoch an den finanziellen Möglichkeiten.

Die Reste von Deutsch-Ossig stehen auf gewachsenem Boden, so dassein Szenario wie beim Erdrutsch in Nachterstedt (Sachsen-Anhalt)nicht zu befürchten sei, sagt Hänel. Mit Investitionen sollte dennochabgewartet werden, bis die frühere Kohlegrube komplett geflutet seiund sich Auswirkungen des aufsteigenden Grundwassers genau absehenließen. Etwa zwei Jahre können bis dahin noch vergehen: der künftig960 Hektar große See ist derzeit zu etwa drei Vierteln gefüllt.

(Internet: www.berzdorfer-see.eu, www.deutsch-ossig-ev.de)