Sachsen Sachsen: In Penig liegt die Endstation Amerika
Penig/ddp. - Wer in Penig den Abzweig zum Werksgeländeverpasst, hat das Nachsehen. Selbst schwere Lkw müssen dentraditionell zur Fabrik gehörenden Fahrweg benutzen und aufgefährliche Ausweichmanöver zwischen Felsen und Uferböschung gefasstsein. Denn die Industriebrache erlebt gerade einen Aufschwung, derzur Freude von Penigs Bürgermeister Thomas Eulenberger (CDU) denNamen des Ortsteils Amerika wie einst die gesponnene Wolle in dieWelt trägt.
In den noch verbliebenen Hallen der Textilfabrik hat sich eineStahl- und Wasserbaufirma angesiedelt. «Ausgangspunkt war dasvorhandene Wasserkraftwerk», erzählt Geschäftsführer JörgSteinbrunner. Der aus Bayern stammende Ingenieur hat sich in seinerDiplomarbeit nicht nur theoretisch mit der Wiederbelebung solcherAnlagen befasst, sondern stieg selber in die Branche ein.
Der Name Amerika und die reizvolle Landschaft faszinierten ihn,wie er rückblickend feststellt. Nach der Reaktivierung von Wehr,Mühlgraben und Turbinenhaus vor zehn Jahren - allein in den Bau einerneuen Fischtreppe flossen 100 000 Euro - entstand ein Unternehmen,das Ausrüstungen für Wasserkraftanlagen selbst nach Mittelasienliefert. Zusammen mit einer zweiten Firma für Stahlbau beschäftigtSteinbrunner rund 60 Mitarbeiter.
«Insgesamt haben die in Amerika ansässigen Firmen etwa wieder einFünftel der einst 600 Arbeitsplätze geschaffen», sagt Eulenberger.Die Stadt Penig hat längst alle spektakulären Pläne zurRevitalisierung des seit 1836 gewachsenen Spinnereigeländes zu denAkten gelegt. Ein Hotel rechnete sich ebenso wenig wie eine Kurklinikoder gar eine Western-Stadt. Auch auf Investoren aus den USA, dievielleicht wegen der Namensverwandtschaft hätten interessiert seinkönnen, wartete man vergebens. «Doch wir wollten in der schönenLandschaft keine Industriebrache mit zerschlagenen Fenstern», betontder Bürgermeister.
Ein Großteil der Gebäude wurde abgerissen. Das Fachwerkgebäude desehemaligen Betriebskindergartens und den mit einem Uhrturm bekröntenDorfkonsum hat ein Betreiber von Satellitenfunkanlagen übernommen undwegen der sensiblen Technik auch gleich das Gelände umzäunt, weshalbdie Siedlung in zwei Teile zerschnitten ist: unten am Fluss dieFabrik, am Hang die Wohnhäuser, ein Biergarten und der Bahnhof.
Für die nach dem Hochwasser 2002 stillgelegte Muldentalbahn gibtes immerhin einen Lichtblick. Ein Verein strebt die durchgängigeBefahrbarkeit von Glauchau bis Großbothen an. «Eine Erlebniskneipe imBahnhof nach dem Motto `Wer in Amerika ist, isst in Amerika` wäremein Traum», malt der Bürgermeister eine Vision aus.
Auf mehr Touristen hofft auch Hermann Richter. Der ehemaligeKraftfahrer führt im Auftrag des regionalen Fremdenverkehrsvereinsauch durchs kleine Werksmuseum der Spinnerei. «An den über 100 Jahrealten Drehbänken und Bohrmaschinen wurden bis 1991 noch Spindelnbearbeitet», berichtet er. Wenn er einen Schalter in derFensternische betätigt, beginnen mit ohrenbetäubendem Lärm die Riemender Transmission zu laufen. Sie wurde erst in diesem Sommer wieder inGang gebracht.