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Im zweiten Anlauf gewählt Wie Sachsen-Anhalts Landespolitik auf den Stolperstart von Kanzler Merz reagiert

Friedrich Merz fällt bei der Kanzlerwahl im Bundestag zunächst durch. Warum die Wahl am Dienstag dennoch gelang, was die Linkspartei damit zu tun hat und wie Sachsen-Anhalts Landespolitik reagiert.

Von Jan Schumann 06.05.2025, 18:11
Wahlerfolg in Runde zwei: Friedrich Merz (CDU) wurde am Dienstag im Bundestag zum Kanzler gewählt.
Wahlerfolg in Runde zwei: Friedrich Merz (CDU) wurde am Dienstag im Bundestag zum Kanzler gewählt. (Foto: Tobias SCHWARZ / AFP)

Berlin/Magdeburg/MZ - Es ist ein Start mit blauem Auge: Friedrich Merz ist am Dienstag zum neuen Bundeskanzler und Regierungschef der Koalition aus Union und SPD gewählt worden. Der CDU-Politiker erreichte die nötige Mehrheit im Bundestag am Dienstag allerdings erst im zweiten Anlauf. Weil ihm einige Abgeordnete des schwarz-roten Bündnisses im ersten Wahlgang die Zustimmung verweigerten, fiel Merz zunächst mit nur 310 Stimmen durch, sechs weniger als nötig. Unklar ist, wer gegen Merz stimmte, die Kanzlerwahl ist geheim. In einem zweiten Wahlgang erreichte Merz die nötige Mehrheit mit 325 Stimmen.

Kommentar: Eine peinliche Lektion für Friedrich Merz

Es war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein designierter Kanzler bei einer Wahl im Bundestag die Mehrheit verfehlte. Politiker in Sachsen-Anhalt reagierten teils erleichtert, teils mit Kritik. „Jetzt muss die Regierungsarbeit zügig starten und unser Land wieder nach vorn gebracht werden“, forderte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Das gelte in der Migrationspolitik, aber auch für zu hohe Energiepreise und nötige Investitionen. Auch Haseloff hatte 2016 und 2021 bei seinen Wahlen zum Ministerpräsidenten jeweils im ersten Wahlgang die Mehrheit verfehlt. Sachsen-Anhalts CDU-Chef Sven Schulze sagte: „Ich hätte mir natürlich ein klares Ergebnis gleich im ersten Wahlgang gewünscht. Jetzt geht's aber darum, nach vorn zu schauen und gute Arbeit zu machen.“

SPD-Generalsekretär: „Gescheiterte Wahl wirft Fragen auf“

Beim Koalitionspartner machten sich indes Sorgen breit. „Die gescheiterte Wahl wirft Fragen auf – nach innen und nach außen“, sagte Sachsen-Anhalts SPD-Generalsekretär Florian Fahrtmann. „Statt eines geschlossenen Auftretens entsteht der Eindruck von Uneinigkeit.“ Dabei seien „gerade jetzt“ Verlässlichkeit und Verantwortung gefragt, so Fahrtmann. „Es ist Zeit für Ernsthaftigkeit und Disziplin – in der gesamten Koalition.“

Die FDP ist im neuen Bundestag nicht mehr vertreten, Landeschefin Lydia Hüskens kritisierte am Dienstag einen „historischen Fehlstart“ von Union und SPD. „Die Koalition wird den Makel des Misstrauens nicht mehr ablegen können. Statt Misstrauen braucht Deutschland eine mutige Reformagenda“, sagte sie der MZ. „Man kann nur hoffen, dass die abweichenden Abgeordneten innerhalb der Koalition sich künftig ihrer Verantwortung bewusst sind.“

Fristverkürzung für zweiten Wahlgang dank Antrag mit Linkspartei

Nicht nur der gescheiterte erste Wahlgang stellte ein Novum in der Bundespolitik dar: Zudem kam es am Dienstag zu einer ungewöhnlichen Annäherung von Union und oppositioneller Linkspartei. Denn für einen sofortigen zweiten Wahlgang noch am Dienstag war die Zustimmung von zwei Dritteln aller Abgeordneten nötig. Den Antrag für diese Fristverkürzung stellten Union, SPD, Grüne und Linkspartei gemeinsam – dabei besteht in der CDU eigentlich ein Kooperationsverbot mit der Linkspartei, gleiches gilt für die AfD. Für den sofortigen zweiten Wahlgang stimmte letztlich der gesamte Bundestag. Sachsen-Anhalts Linksfraktion-Chefin Eva von Angern wertete den gemeinsamen Antrag ihrer Partei mit der Union am Dienstag als Zäsur. „Der längst gefallene sogenannte Unvereinbarkeitsbeschluss ist nun auch offiziell erledigt“, sagte sie der MZ. „Die Linke hat verantwortungsvoll gehandelt.“ Dies sei aber „kein Freifahrtschein“ für die künftige Koalition im Bundestag. „Sie tragen die Verantwortung, Mehrheiten für ihre Vorhaben zu finden“, so von Angern.

Die AfD sprach dem neuen Regierungsbündnis indes die nötige Stabilität ab. Der erste Wahlgang habe gezeigt, „dass diese Koalition nicht regierungsfähig ist“, so AfD-Landeschef Martin Reichardt am Dienstag. „Die Union hat sich vom Wahlverlierer und offenkundig unzuverlässigen Partner SPD abhängig gemacht und zahlt nun den Preis dafür.“ Auch Grünen-Landeschef Dennis Helmich kritisierte angesichts des ersten gescheiterten Wahlgangs: Es sei „nicht die Aufgabe der Opposition, Merz ins Amt zu hieven“.