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Verfassungsschutz Verfassungsschutz verschärft Gangart: Geheimdienst überwacht Identitäre Bewegung

12.09.2016, 18:40
Die "Identitäre Bewegung" ist längst kein virtuelles Phänomen mehr. Dem Verfassungsschutz zufolge hat sich die Gruppe zunehmend radikalisiert und sucht mit gezielten und provokanten Auftritten die Öffentlichkeit.
Die "Identitäre Bewegung" ist längst kein virtuelles Phänomen mehr. Dem Verfassungsschutz zufolge hat sich die Gruppe zunehmend radikalisiert und sucht mit gezielten und provokanten Auftritten die Öffentlichkeit. dpa

Magdeburg - Im Juni sprühten sie „Geht nach Hause“ in arabischen Schriftzeichen aufs Pflaster vor dem als Flüchtlingsunterkunft genutzten ehemaligen Maritim-Hotel in Halle. Im März mauerten sie in einer Nacht- und Nebel-Aktion den Eingang eines Probe-Wahllokals für Migranten zu - die fremdenfeindliche Identitäre Bewegung macht gern mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf sich aufmerksam. Nun wird die Gruppierung auch in Sachsen-Anhalt offiziell vom Verfassungsschutz überwacht, wie andere rechtsextreme Parteien und Gruppierungen.

Es lägen „tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür vor, dass sich die Identitäre Bewegung einschließlich ihrer Regionalgruppen im Land gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte, erklärte das Innenministerium am Montag. Damit verschärfen die Verfassungsschützer die Gangart. Schon seit Monaten haben sie die Identitären und deren Aktivitäten im Visier. Offizielles Beobachtungsobjekt war die Gruppe bisher aber nicht.

Regionalgruppen in Halle, Magdeburg und dem Harz

Nun folgt das Land dem Beispiel mehrerer anderer Landesverfassungsschutzämter sowie des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Damit kann der Geheimdienst jetzt nicht nur öffentlich zugängliches Material über die Identitären auswerten, sondern auch andere Mittel nutzen, „zu denen wir gesetzlich ermächtigt sind“, wie Verfassungsschutz-Chef Jochen Hollmann der MZ sagte. So könnten Mitglieder zum Beispiel observiert oder abgehört werden.

Der Geheimdienst geht davon aus, das der Bewegung im Land 30 bis 50  Mitglieder angehören. „Das sind diejenigen, die wir im Internet wahrnehmen und die sich bei Aktionen auf der Straße zeigen“, sagte Hollmann. Regionalgruppen gibt es in Halle, im Harz und in Magdeburg. Aktivitäten werden bei Facebook gepostet - so zum Beispiel die Besetzung des Brandenburger Tors in Berlin Ende August. Daran war nach Angaben der Verfassungsschützer auch ein Mitglied der Gruppierung „Kontrakultur“ beteiligt - so nennen sich die Identitären in Halle.

Bewegung bestreitet Verbindungen ins rechte Milieu

Vor kurzem hatte Verbindungen der Identitären in die Neonazi-Szene für Aufsehen gesorgt. „Leute aus der Neonazi-Kameradschaftsund JN-Szene haben bei den Identitären eine neue Heimat gefunden“, hatte Torsten Hahnel von der halleschen Arbeitsstelle Rechtsextremismus erst im Juni erklärt. So beobachtete Hahnel schon im vorigen Jahr Leute aus dem Umfeld der NPD-Jugendorganisation JN („Junge Nationaldemokraten“) bei einer Aktion der Identitären in der halleschen Marktkirche; im Harz tauchten ehemalige Aktivisten einer mittlerweile aufgelösten Neonazi-Kameradschaft bei einer Kundgebung der Bewegung auf.

Der Innenexperte der Grünen, Sebastian Striegel, hält die Beobachtung der Identitären im Land durch den Verfassungsschutz für überfällig. Angesichts der Verflechtungen mit der rechtsextremen Szene sei das eine folgerichtige Entscheidung, sagte Striegel der MZ. Die Bewegung selbst bestreitet Verbindungen ins rechtsradikale Milieu.

Die Identitären haben ihre Wurzeln in Frankreich, seit 2012 sind sie auch in Deutschland aktiv. Sie wenden sich gegen eine angebliche „Masseneinwanderung“ und „Islamisierung“ und warnen, das „deutsche Volk“ werde gegen „illegale Einwanderer“ ausgetauscht.  (mz)