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Luftfahrt Ukrainischer Botschafter am Airport Leipzig/Halle: „Antonov 225 wird neu gebaut“

Das größte Frachtflugzeug der Welt, die Antonov 225, wurde durch den russischen Angriffskrieg zerstört. Der Rest der ukrainischen Flotte ist am Airport Leipzig/Halle stationiert. Nun soll die „Mrija“ neu gebaut werden.

Von Steffen Höhne 07.11.2022, 17:05
Noch ist es nur ein Modell: Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, hät eine Antonov 225 in den Händen.
Noch ist es nur ein Modell: Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, hät eine Antonov 225 in den Händen. Foto: IMAGO/Christian Grube

Schkeuditz/MZ - Am 5. Februar ist Dmytro Antonov das letzte Mal „sein“ Flugzeug geflogen. Er steuerte mit dem größten jemals gebauten Frachtflugzeug der Welt, die Antonov 225 (AN 225), den Heimatflughafen Hostomel bei Kiew an. Die Ukrainer nennen den Riesenflieger, der 250 Tonnen transportieren konnte, nur „Mrija“ - der Traum. Doch was in den folgenden Tagen passierte, war ein Alptraum. Gleich zu Beginn des russischen Angriffskrieges, am 24. Februar, wurde der Flughafen Hostomel bombardiert und dabei am 27. Februar auch die AN 225 fast vollkommen zerstört. Pilot Antonov - der rein zufällig den gleichen Namen wie der Flugzeughersteller trägt - bot nach eigenen Worten noch am 23. Februar an, das Flugzeug nach Leipzig/Halle auszufliegen. „Doch niemand von der damaligen Unternehmensführung hat eine Entscheidung getroffen“, erzählt der erfahrene Flugkapitän heute. Die Ukrainer sind stolz auf die „Mrija“, die Zerstörung hat das Land getroffen.

Ausstellung zur Antonov 225 am Flughafen Leipzig/Halle

Dmytro Antonov wohnt heute in Leipzig. Am Montagvormittag steht er im Terminal des Flughafens Leipzig/Halle und hört Oleksij Makejew zu. Der neue Botschafter der Ukraine in Deutschland ist gekommen, um die Ausstellung „Light and Shadow – The Antonov Story“ (Licht und Schatten - die Antonov-Geschichte) zu eröffnen. In einem weiß gestalteten Raum wird die 34-jährige Geschichte des Flugzeugs gezeigt, in einem schwarz gestalteten dessen Zerstörung. Doch wichtiger als die Bilder sind die Worte des Botschafters: „Der Traum ist nicht vorbei, Der Traum lebt.“ Die „Mrija“ werde wieder abheben und auch am Airport Leipzig/Halle landen.

 Am 5. Feburar ist Dmytro Antonov das letzte Mal „sein" Flugzeug gefolgen.  Er steuerte mit dem   größten jemals gebauten Frachtflugzeug der Welt, der Antonov 225, den  Heimatflughafen Hostomel bei Kiew an. Die Ukrainer nennen den Riesenflieger, der 250 Tonnen transportieren kann, nur „Mrija“ - der Traum.
Am 5. Feburar ist Dmytro Antonov das letzte Mal „sein" Flugzeug gefolgen. Er steuerte mit dem größten jemals gebauten Frachtflugzeug der Welt, der Antonov 225, den Heimatflughafen Hostomel bei Kiew an. Die Ukrainer nennen den Riesenflieger, der 250 Tonnen transportieren kann, nur „Mrija“ - der Traum.
Foto: Steffen Höhne

Dass das nicht nur ein frommer Wunsch ist, dafür soll Antonov-Generaldirektor Eugen Gavrylov sorgen. Der ukrainische Firmenchef erzählt der MZ, dass „die AN225 zwar ein Prototyp gewesen ist, nur ein solches Flugzeug ist geflogen. Es gab aber noch einen weiteren Prototypen, der nie abhob“. Nun solle versucht werden, aus der ausgebrannten Maschine und dem zweiten Prototypen ein neues Flugzeug zu bauen. „Wir haben mit der Arbeit schon begonnen.“ Und wann könnte der Riesenflieger wieder abheben? Gavrylov sagt: „Wenn der Krieg vorbei ist und die Finanzierung steht, dann dauert es etwa drei Jahre.“ Wie teurer das Projekt wird, dazu will sich der Antonov-Chef nicht äußern. Es gibt dazu viele Spekulationen: Die Zahlen reichen von 300 Millionen Euro bis zu drei Milliarden Euro.

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So viel Geld für ein einzelnes Flugzeug? Für die Ukrainer ist das Flugzeug ein Symbol für die eigene Stärke und Unabhängigkeit. Botschafter Makejew berichtet darüber, wie er als Kind und Jugendlicher im Flugsimulator eine Antonov flog. „Mein Traum war es, Pilot zu werden“, erzählt er. Er sei dann doch „nur“ Botschafter geworden. Nicht nur in der Ukraine erzeugte das technische Meisterwerk viel Begeisterung. „Egal wo wir auf der Welt gelandet sind, es waren immer Menschen am Flughafen, die die Maschine fotografiert und bestaunt haben“, berichtet Pilot Antonov. In Leipzig/Halle sei die „Mrija“ 31-mal gelandet und gestartet, berichtet Airportchef Götz Ahmelmann. An keinem anderen Airport außerhalb der Ukraine und Russland sei der Flieger öfter gewesen.

Schon vor dem Ukraine-Krieg gab es zwischen dem mitteldeutschen Flughafen und Antonov enge Geschäftsbeziehungen. Die AN 225 transportierte etwa U-Bahnen und Luxus-Autos, in den vergangenen zwei Jahren wurden aus China Millionen von Corona-Tests und Masken eingeflogen.

Antonov-Generaldirektor  Eugen Gavrylov zeigt Flughafen-Chef Götz Ahmelmann (rechts) die Bilder der zerstörten AN 225.
Antonov-Generaldirektor Eugen Gavrylov zeigt Flughafen-Chef Götz Ahmelmann (rechts) die Bilder der zerstörten AN 225.
Foto: Steffen Höhne

Nach Beginn des Ukraine-Krieges sei der Airport für Antonov Airlines nun „ein zweites Zuhause“ geworden. So formuliert es Ahmelmann und die ukrainische Führungscrew nickt. Die verbliebenen fünf Antonov 124 (AN 124), die nicht zerstört wurden, sind hier stationiert. „Insgesamt 300 Mitarbeiter arbeiten jetzt am Airport Leipzig/Halle“, sagt Airline-Chef Gavrylov.

Zwei Maschinen würden exklusiv für das sogenannte Salis-Projekt fliegen. Das heißt, sie transportieren militärische Fracht für Nato-Staaten. Vor allem schweres, sperriges Gerät wie Panzer und Hubschrauber werden mit der AN 124, die mehr als 100 Tonnen laden kann, geflogen. Die Nato-Partner sind auf die Flieger angewiesen. Das größte Transportflugzeug der Bundeswehr, der Airbus A400M, kann lediglich 40 Tonnen laden.

Leipzig/Halle ist jetzt wichtigste Wartungsbasis

Antonov Airlines fliegt auch weiter zivile Fracht wie beispielsweise Bohrgeräte für die Erdölindustrie. „Wir sind weltweit unterwegs“, berichtet Pilot Antonov. Geld verdient das Unternehmen auch mit der Wartung von kleineren Antonov-Maschinen anderer Fluggesellschaften. In Leipzig/Halle gibt es dafür eine Wartungsbasis. Viele der Flieger sind mehr als 40 Jahre alt, der Reparaturaufwand ist hoch. In den vergangenen zwei Jahrzehnten gab es von Ukrainern und Russen immer wieder Anläufe, neue Antonov-Flieger zu bauen. Doch umgesetzt wurde keines der Projekte. Dass die vom Krieg zerstörte Ukraine künftig die Kraft haben wird, den Flugzeugbau wieder aufzubauen, bezweifeln viele Luftfahrtexperten.

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Ist die Wiederbelebung der AN 225 daher vielleicht doch eher ein Wunschtraum? Der breitschultrige Antonov-Chef Gavrylov ist gewiss kein Träumer: „Natürlich benötigen wir viele Ressourcen und auch Unterstützung von unseren westlichen Partnern.“ Er sieht aber Bedarf an großen Frachtflugzeugen. „Es gibt einen Markt für unsere Transporte“, sagt er. Und Antonov-Pilot Antonov hat abseits der Flugzeugbauer Boeing und Airbus auch eine Idee, wer „verrückt“ genug ist, ein solches Projekt zu finanzieren: „Man sollte mal Tesla-Chef Elon Musk oder den Airline-Besitzer Richard Branson fragen, was sie von solch ein Traumprojekt halten.“