1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Sachsen-Anhalt
  6. >
  7. Insolvenz einer Vorzeigefirma: „Nie Gewinne erwirtschaftet“: Frischemanufaktur stellt Betrieb ein

Insolvenz einer Vorzeigefirma „Nie Gewinne erwirtschaftet“: Frischemanufaktur stellt Betrieb ein

Mit ihrer Frischemanufaktur in Beuna (Saalekreis) galt Jenny Müller als Vorzeigegründerin in Sachsen-Anhalt. Doch jetzt ist der Betrieb vom „Lieblingswasser“ überraschend eingestellt worden – was ist da passiert?

Von Lisa Garn Aktualisiert: 11.04.2024, 09:22
Jenny Müller hatte mit dem „Lieblingswasser“ kein Glück.
Jenny Müller hatte mit dem „Lieblingswasser“ kein Glück. Foto: Andreas Stedtler

Beuna/MZ. - Für Sachsen-Anhalt ist sie eine der Vorzeigefrauen: Jenny Müller, die ihren festen Job hinwarf, um ein Start-up für haltbare Obstsalate zu gründen. Die im ersten Anlauf scheiterte und dann mit dem „Lieblingswasser“ durchstartete. Seit Dienstag ist bekannt: Ihre Frischemanufaktur in Beuna (Saalekreis) ist insolvent. Die Firma produzierte Wasser mit Kräuter- und Fruchtgeschmack. Seit Beginn dieses Monats ist der Betrieb eingestellt. „Trotz Verhandlungen mit Interessenten war die Investorensuche nicht erfolgreich“, erklärte Insolvenzverwalter Christian Heintze auf MZ-Anfrage. Den verbliebenen fünf Mitarbeitern sei gekündigt worden.

Investorenrunde platzt

Das 2017 gegründete Unternehmen hatte bereits Ende Januar Insolvenz angemeldet. Aus den Zahlen gehe hervor, dass der Betrieb „nie Gewinne erwirtschaftet“ habe, „die Umsätze haben nicht zu den Kosten gepasst“, sagte Heintze. Das sei für ein Start-up auch nicht ungewöhnlich. Zuletzt fanden sich aber keine Investoren mehr, die es weiter finanzieren wollten. Die letzte Finanzierungsrunde war geplatzt. Es bestehe aktuell in der Start-up-Branche eine größere Zurückhaltung. „So geht es auch anderen jungen Unternehmen.“

Jenny Müller war in Sachsen-Anhalt eine der wenigen Gründerinnen und galt als erfolgreich. Die aus München stammende 40-Jährige hatte BWL studiert, in Leipzig in Marketing promoviert und danach für den Rewe-Konzern gearbeitet. Dass jeden Abend Tonnen von nicht verkauftem, frisch geschnittenem Obst weggeworfen wurden, empfand sie als „unsägliche Verschwendung“. Jahrelang dachte Müller darüber nach, wie Früchte länger halten. Mit einer Hochschule fand sie ein Verfahren, das Obstsalat länger konservierte. Sie kündigte ihren Job und gründete die Frischemanufaktur.

Lesen Sie auch: Pleitewelle bei Start-ups trifft auch bekannte Gründer aus Sachsen-Anhalt

Doch sie fand keine Investoren – bis sie auf BMP Ventures stieß. Das Unternehmen managt Beteiligungen des Landes Sachsen-Anhalt und investiert in junge Unternehmen. Auf dem Weinbergcampus in Halle produzierte Müller haltbaren Obstsalat, gewann Preise, überzeugte Händler. Und dennoch scheiterte sie. „Kunden kauften nicht. Es funktionierte einfach nicht“, sagte sie damals.

Deshalb entwickelte sie ein zweites Produkt, das „Lieblingswasser“: Wasser, das frische Kräuter und Obststücke enthält und lange haltbar ist. 2019 wurden die ersten Flaschen produziert. 2023 zog die Firma in eine frühere Fleischerei im Gewerbegebiet Beuna. Im Sommer sollten 150.000 Flaschen produziert werden, erklärte Müller im vergangenen Jahr. Da hatte sie elf Mitarbeiter, verkaufte in vielen Lebensmittelmärkten Deutschlands und Österreichs.

Nachfolger fehlt

Mit ihrer Geschichte wollte Müller, die auch Landessprecherin des Start-up-Verbandes ist, anderen Frauen Mut machen: „Gründen ist nie einfach“, sagte sie. „Man muss durchhalten können.“ Doch 2019 hätte auch sie fast aufgegeben. „Das Geld für das neue Produkt ging uns aus. Und dann fügte sich alles. Ich hätte mir auch nie verziehen, es nicht weiter versucht zu haben.“ Aktuell ist Müller für Anfragen nicht erreichbar. Das Telefon ist ausgeschaltet, sie reagiert auch nicht auf Mails. Das Produkt, so erklärt Insolvenzverwalter Heintze, wurde von Interessenten „für gut befunden. Es fand sich aber niemand, der die Firma übernehmen wollte. Eine Fortführungsperspektive gibt es damit nicht.“