Kommt Kopftuch-Verbot? Kommt Kopftuch-Verbot?: Bildungsminister Tullner hat "Grundsympathie" für die Idee

Berlin/Halle - Die jüngste Entscheidung des österreichischen Parlaments, Kopftücher an Grundschulen zu verbieten, hat in Deutschland eine Debatte ausgelöst, ob man hier ähnliche Schritte gehen sollte. „Dass kleine Mädchen Kopftuch tragen, ist absurd – das sehen auch die meisten Muslime so“, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU) am Freitag. „Alle Maßnahmen, die Mädchen davor schützen – vom Elterngespräch bis zum Verbot – sollten geprüft und angegangen werden.“
Positive Signale von Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner
Damit heizte die Integrationsbeauftragte am Freitag eine bundesweite Debatte um Kopftuchverbote an Grundschulen an. Zustimmung kam von Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner (CDU). Er sagte der MZ: „Ich habe eine Grundsympathie für die Überlegung, Kopftücher aus Grundschulen fernzuhalten.“ Klar sei aus seiner Sicht aber auch: „Bevor man die rechtliche Keule rausholt, sollten alle Maßnahmen ausgeschöpft werden. Ich halte eine Überprüfung der rechtlichen Möglichkeiten aber durchaus für sinnvoll.“
Kopftuch-Verbot: Widerspruch in Thüringen
Die Entscheidung in Österreich war mit Stimmen der konservativen ÖVP und der Rechtsaußen-Partei FPÖ gefallen. Von dem Kopftuchverbot an Grundschulen ausgenommen sind medizinische Verbände oder Kopfbedeckungen, die dem Schutz vor Regen oder Schnee dienen. Die jüdische Kippa bleibt erlaubt, da sich das Verbot auf Kleidungsstücke bezieht, „welche das gesamte Haupthaar oder große Teile dessen verhüllen“.
Als Begründung wird im Gesetzestext genannt, dass ein Verbot „der sozialen Integration von Kindern gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten, der Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundwerte sowie der Gleichstellung von Mann und Frau“ diene. Sollten sich Kinder nicht an das Verbot halten, droht Eltern eine Geldstrafe von bis zu 440 Euro oder eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen.
Auch andere ostdeutsche Unionspolitiker äußern Sympathien für Vorstoß
Wie Tullner äußerten auch andere ostdeutsche Unionspolitiker Sympathien für den Vorstoß. „Das ist ein Thema, das die Bevölkerung bewegt“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) der MZ. „Und wir sind gut beraten, solche Themen aufzunehmen.“ Zur Entscheidung Österreichs habe er sich noch kein abschließendes Urteil gebildet, so Caffier. „Aber ich glaube, gerade an Grundschulen spricht vieles dafür, dass man solche Wege gehen könnte.“
Eine klare Absage kam hingegen bereits von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Er lehnt ein Verbot ab. „Es gibt verschiedenste Formen von Kopfbedeckung, die mal religiös, mal kulturell motiviert sind und manchmal einfach nur Nützlichkeitserwägungen folgen“, sagte er der MZ. „Jetzt ein bestimmtes Kleidungselement staatlicherseits zu verbieten, würde von den Muslimen nur als anti-muslimisch verstanden.“
Einige Bundesländer beschäftigen sich bereits sehr konkret mit dem Thema
Auch aus der SPD kam am Freitag hingegen Wohlwollen für den Vorstoß aus Berlin. Die sozialdemokratische Familienpolitikerin und Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier sagte, sie sei für ein Kopftuchverbot für Kinder, dies sei eine „Frage der Gleichstellung“. Indes beschäftigen sich einige Bundesländer bereits sehr konkret mit derlei Verboten: Nordrhein-Westfalens Landesregierung hat zum Thema ein Gutachten in Auftrag gegeben. Es gehe dabei um die entwicklungspsychologische und theologische Sicht, erklärte das Integrationsministerium am Freitag. Das Gutachten liege vor und werde derzeit ausgewertet.
Verbandschefin kontert Vorstoß zum Kopftuch-Verbot
Unter Bildungsexperten ist fraglich, wie relevant die Debatte in der Praxis überhaupt ist. Die Vorsitzende des Grundschulverbandes, Maresi Lassek, sagte, Kopftücher an Grundschulen kämen eher selten vor. In Ballungsräumen mit vielen muslimischen Kindern gebe es sie aber häufiger.
„Dort haben die Grundschulen manchmal durchaus Mühe damit, darauf zu achten, dass ein Kind mit Kopftuch die anderen nicht ,ansteckt‘.“ Zwar sollten muslimische Mädchen erst Kopftuch tragen, wenn es in Richtung Pubertät gehe und sie ihre erste Menstruation hätten, so Lassek – also nach der Grundschule. Doch manchen Eltern sei es wichtig, ihre Töchter möglichst früh an das Kopftuch zu gewöhnen, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Deshalb kämen Kopftücher auch in Grundschulen vor.
„Ein generelles Verbot von Kopftüchern an Grundschulen halte ich für nicht angemessen und auch nicht für durchsetzbar“, sagte Lassek gleichwohl. „Kinder würden in eine Sonderrolle gedrängt, die wir nicht wollen.“ Sie rate eher dazu, mit Eltern und Kindern im Gespräch zu sein. „Meiner Erfahrung nach kommt man damit relativ weit.“ (mz)