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Kommentar zur AfD im Landtag Kommentar zur AfD im Landtag: Provokateur Poggenburg

Von Kai Gauselmann 02.06.2016, 18:09
Andre Poggenburg, AfD-Fraktionsvorsitzender, diskutiert im Plenarsaal des Landtags in Magdeburg.
Andre Poggenburg, AfD-Fraktionsvorsitzender, diskutiert im Plenarsaal des Landtags in Magdeburg. dpa-Zentralbild

Magdeburg - Im Landtag von Sachsen-Anhalt wird bisweilen die Weimarer Republik mit Liebe zum Detail nachgespielt. Erst provozieren die Rechten plump, dann kontert die empörte SPD-Fraktionschefin: „Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte.“ Die groben waren nicht die eigenen Worte von Katja Pähle. Sie hat den Maler Max Liebermann zitiert. Er sagte dies zur Machtergreifung, als am 30. Januar 1933 die Nazis mit einem Fackelzug an seinem Berliner Haus vorbeizogen.

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten

Nein, am Mittwoch ging es mit der Demokratie in Sachsen-Anhalt nicht zu Ende. Es ging eigentlich erst richtig los mit der Kenia-Koalition. Mit der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) und der Debatte dazu war die Gelegenheit, zu diskutieren, wie es weitergehen soll mit dem schönen Sachsen-Anhalt. Schwarz-Rot-Grün hat mit den Erläuterungen des Regierungschefs geliefert. Es war sogar eine der besseren Reden Haseloffs, in der er die Flüchtlingsfrage zur „Reifeprüfung“ für unsere Gesellschaft erklärte.

André Poggenburg konstruiert Opfermythos

Das wäre der Zeitpunkt gewesen, als Opposition die Regierungsvorschläge zu werten und mit eigenen zu kontern. Die Linken taten dies, die Rechten nicht. AfD-Fraktionschef André Poggenburg nutzte seine Redezeit, um vor allem seiner Partei einen Opfermythos zu konstruieren. Tenor: Alle sind gegen die Neuen, die AfD. Er warf Haseloff sogar „Hetze“ vor. Es war eine kalkulierte Provokation Poggenburgs. Mit seiner polemischen Rede und dem geschlossenen Auszug seiner Fraktion hat er zunächst erreicht, dass sich die AfD als Partei präsentierte, die sich an die Seite der kleinen Leute stellt - in diesem konkreten Fall der Abwassergebühren-Zahler. Und dann wird auch noch der Parlamentsbetrieb der „Altparteien“ aufgemischt.

Dann platzte die Bombe: Rücktritt

Poggenburg hat die anderen Fraktionen schlicht überrumpelt. CDU, SPD, Grüne und Linke waren sich erst nicht einig: Weitermachen ohne AfD oder unterbrechen? Abgerechnet wird aber auch im Landtag erst zum Schluss. Insgesamt war es nicht der Tag der AfD. CDU-Vertreter wiesen überraschend klar einen Antrag zur Verschärfung des Asylrechts als rassistisch zurück und empfahlen den Rechtspopulisten, sich erstmal von Pegida zu distanzieren. Und dann platzte die Bombe: Daniel Rausch trat als Landtagsvizepräsident zurück. Er war der erste AfD-Politiker in Deutschland auf diesem Posten, seine problemlose Wahl ein überregional wahrgenommener Coup. Eine konkrete Begründung für den Rückzug gab es nicht, bereits am Mittwoch konnte aber jeder sehen: Rausch war dem Amt nicht gewachsen.

Ideen für das Land?

Unterm Strich hatte die AfD am Donnerstag zwar den lautesten, auffälligsten Auftritt aller Fraktionen. Das war aber nur Klamauk. Der SPD-Abgeordnete Holger Hövelmann entlarvte das, als er sich bei Poggenburg nach Ideen für das Land erkundigte. Poggenburgs Antwort: „Die AfD ist ja nun in der sehr schönen Lage, Oppositionsführer zu sein und muss eben keinen Ausblick geben.“ Das Signal, das letztlich von Eklat und Rücktritt ausging, war: Die AfD will oder kann nicht konstruktiv an politischen Lösungen für Sachsen-Anhalt mitarbeiten. (mz)

Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]

Kai Gauselmann ist stellvertretender Chefredakteur der MZ.
Kai Gauselmann ist stellvertretender Chefredakteur der MZ.
Andreas Stedtler