Pkw-Führerschein Jeder Zweite fällt durch: Warum in Sachsen-Anhalt so viele Fahrschüler durch die Prüfung rasseln
In keinem anderen Bundesland bis auf Berlin fallen prozentual so viele Fahrschüler durch die Theorieprüfung für den Pkw-Führerschein wie in Sachsen-Anhalt. Auch beim Praxistest schneidet das Land schlecht ab. Woran liegt das? Und was bedeutet das für den Straßenverkehr?

Halle/MZ - Fahrschüler aus Sachsen-Anhalt tun sich offenbar besonders schwer mit den Verkehrsregeln. Nach Angaben des TÜV-Verbands fiel im vergangenen Jahr jeder zweiten Prüfling beim Theorietest für den Pkw-Führerschein durch. In keinem anderen Bundesland ist die Quote höher, nur in Berlin ist sie gleich. Auch bei der Praxisprüfung liegt Sachsen-Anhalt mit einer Durchfallquote von 45 Prozent über dem Bundesschnitt. Laut Fahrlehrern mangelt es meist an der Vorbereitung. Häufig werde bei Übungsstunden geknausert, sagte Reiner Nuthmann, Vorsitzender des Landesfahrlehrerverbands, der MZ. „Es ist ein täglicher Kampf, damit nicht an der falschen Stelle gespart wird“, so Nuthmann.
Seit einigen Jahren steigt die Durchfallquote bei Führerscheintests. Die Gründe dafür sind laut Fahrlehrern vielfältig: Der Straßenverkehr aber auch die Bedienung der Autos wird komplexer. Umweltauflagen, neue Verkehrsschilder und Assistenzsysteme wie Abstandstempomaten müssen die Fahranfänger beherrschen. Aber warum tun sich ausgerechnet Prüflinge aus dem ländlich geprägten Sachsen-Anhalt und der Millionenstadt Berlin dabei so schwer?
Prüflinge mit schmalem Budget: Fehlt Schülern das Geld zur Vorbereitung?
Fahrlehrer Nuthmann vermutet, dass Geld eine Rolle spielt. In Sachsen-Anhalt hätten viele Familie vergleichsweise niedrige Einkommen. „Das Geld sitzt bei vielen nicht so locker.“ Gleichzeitig sind die Preise für Theorie- und Praxisstunden zuletzt stark gestiegen. Häufig wollten die Prüflinge daher sparen, sagte der Verbandschef. Nils Horschick vom ADAC Sachsen-Anhalt nimmt eine fehlende Verkehrsbildung schon im Kindesalter als Grund an. Während in Berlin viele Eltern mit ihren Kindern mit Bus und Bahn anstatt mit dem Auto unterwegs seien, gebe es in ländlichen Regionen relativ wenig Verkehr und simple Straßenführung. Beides bereite Jugendliche womöglich nicht gut auf die Führerscheinprüfung vor, so Horschick. „Kinder müssen schon früh mit Verkehrssituationen akklimatisiert werden.“
Der Verkehrsexperte beobachtet zudem eine sinkenden Aufmerksamkeitsspanne bei Fahranfängern in ganz Deutschland. Das deckt sich mit Erfahrungen von Fahrlehrern aus Sachsen-Anhalt. Horschick vermutet die intensive Nutzung von Sozialen Medien dahinter. TikTok und Instagram etwa locken Teenager mit Videos, die meist nur einige Sekunden lang sind. Die Sehgewohnheiten könnte auch Einfluss auf die Führerscheinprüfungen haben. „Wir sehen die generelle Entwicklung junger Erwachsener als Grund. Die Zahlen zeigen es ja.“
Wir sehen die generelle Entwicklung junger Erwachsener als Grund. Die Zahlen zeigen es ja.
Nils Horschick / ADAC Sachsen-Anhalt
Ein erhöhtes Sicherheitsrisiko geht trotz vieler misslungener Tests offenbar aber nicht vom Nachwuchs hinterm Lenkrad aus. Obwohl Fahranfänger weiterhin besonders häufig in Unfälle verwickelt sind, sinkt die Zahl jungen Unfallverursacher laut ADAC-Daten in der Langzeitbetrachtung. Viele Fragen aus der Theorieprüfung etwa zu Umweltthemen seien zudem nicht wichtig für die Verkehrssicherheit, so Horschick. „Und irgendwann bestehen sie ja alle.“
Fahrlehrer appeliert an Prüflinge: Nicht an der falschen Stelle sparen
Angesichts der schlechten Prüfungsergebnisse appelliert Reiner Nuthmann an Fahranfänger, nicht an der Vorbereitung zu sparen. „Es tut natürlich weh“, sagte der Fahrlehrer mit Blick auf die Preise. Bei einer Wiederholung fielen allerdings Kosten für Zusatzstunden und die erneute Prüfungszulassung an. Das rechne sich nicht.
Horschick fordert zudem eine bessere Vorbereitung auf den Straßenverkehr schon bei Kindern. Vielerorts werde allerdings genau dabei gespart – so auch in Sachsen-Anhalt. Hier kürzte die Landesregierung aufgrund knapper Kassen zuletzt die Mittel für die Verkehrswacht. Der Verein kümmert sich etwa um Unfallprävention bei Kindern und Jugendlichen. „Da muss man ansetzen“, so Horschick.