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Glanz des Mittelalters Glanz des Mittelalters: Das erste positive Abbild eines Schwarzen wird rekonstruiert

Von Kai Agthe 02.01.2020, 11:00
Er ist im 3D-Verfahren entstanden und mit Naturpigmenten bemalt.
Er ist im 3D-Verfahren entstanden und mit Naturpigmenten bemalt. dpa

Magdeburg - Das Original bestand aus zwei Teilen: Der Oberkörper wurde aus einem Stein gehauen, die Beine aus einem anderen. So ist zu erklären, warum von der um 1240/50 entstandenen Statue des heiligen Mauritius im Magdeburger Dom nur der Torso, der auch Reste der ursprünglichen Bemalung erkennen lässt, die Zeitläufte überdauerte. Der untere Teil der Figur ist ebenso verloren wie die aufrecht stehende Heilige Lanze, die der schwarze Heilige in der rechten Hand und das große Schild, das er mit der linken Hand hielt sowie das Reichsschwert, das an der linken Seite zu finden war.

Heiliger Mauritius als Schutzpatron des Domes in Magdeburg

Das Fragment des heiligen Mauritius, der neben der heiligen Katharina ein Schutzpatron des Domes zu Magdeburg ist, haben Wissenschaftler und Restauratoren des Kulturhistorischen Museums jüngst mittels 3D-Druck rekonstruiert. Die Figur ist jetzt Teil der Dauerausstellung des Dommuseums „Ottonianum“ am Domplatz, wo sie nicht nur die Blicke der Gäste auf sich zieht, sondern auch für einige Diskussionen sorgt. Unter Wissenschaftlern ebenso wie in den sozialen Netzwerken. „Die Nachbildung des Mauritius’ ist also kein Objekt, dass die Menschen, die es im ,Ottonianum‘ gesehen haben, kalt lässt“, sagt Heinrich Natho, der Pressesprecher des Kulturhistorischen Museums Magdeburg und des Dommuseums.

Authentische Farbgebung: Abbild aus 3D-Drucker zeigt leuchtende Farben

„Die Brillanz der Farben, vor allem das goldglänzende Kettenhemd des Heiligen, irritiert manchen Besucher“, erklärt Ulrike Theisen, Kuratorin der Abteilung Archäologie des für das Dommuseum zuständigen Kulturhistorischen Museums. Während am Original nach mehr als 700 Jahren nur noch schemenhaft zu erkennen ist, dass Mauritius einmal farblich gefasst war, zeigt dessen Abbild aus dem 3D-Drucker sehr leuchtende Farben.

„Die Farbgebung der 3D-Reproduktion folgt den Untersuchungen, die das Restauratoren-Team um Ernst Thomas Groll gewonnen hat“, sagt Theisen. Bei der Farbgestaltung der 3D-Rekonstruktion wurden die aus reinen Naturpigmenten gemischten Farben aufgebracht, mit denen die Originalfigur im 13. Jahrhunderts koloriert wurde. „Die Naturpigmente werden in den kommenden Jahrzehnten aber noch nachdunkeln“, sagt Theisen.

Authentisch rekonstruiert ist nicht nur das goldene Kettenhemd und die mehrfarbigen Schichten der Rüstung und des Unterkleides, sondern auch die strahlend blauen Augen des Heiligen. Aber ein Afrikaner mit blauen Augen? Dieses Phänomen gebe es durchaus, so Theisen. Ob aber nun mit blauen Augen oder nicht: Die Wissenschaftler gehen in jedem Fall davon aus, dass der ausführende Künstler bei der Gestaltung des Afrikaners Mauritius nicht auf Beschreibungen zurückgegriffen haben dürfte, sondern dass ihm im Herstellungsprozess der Statue ein Schwarzer als Modell gegenübersaß.

Magdeburger Figur ist erste Darstellung eines Schwarzen nördlich der Alpen

In der Literatur ist der Hinweis zu finden, dass es sich bei der Magdeburger Figur um die erste Darstellung eines Schwarzen nördlich der Alpen oder, konkreter, um die erste Statue eines schwarzen Heiligen diesseits der Alpen handle. „Richtig ist, dass dieser Mauritius das erste Abbild eines Schwarzen ist, das nicht in abwertender Absicht gestaltet wurde, sondern positiv“, sagt Ulrike Theisen. Das ist für die Zeit um 1240/50 einzigartig - und sollte es auch für die folgenden Jahrhunderte bleiben.

Die Verehrung des Heiligen Mauritius hat in Magdeburg eine Tradition, die bis in das 10. Jahrhundert zurückreicht. Schon König Heinrich I., der von 919 bis 936 regierte, verehrte Mauritius, der später auch Schutzheiliger des im Jahr 937 gegründeten Magdeburger Klosters war und Patron von Erzbistum und Dom. Heinrich erwarb die Heilige Lanze des Mauritius’, unter deren Schutz, wie die Legende wissen will, Kaiser Otto I., auch der Große genannt, im Jahr 955 auf dem Lechfeld die Ungarn besiegte.

Stammt die Figur aus einer Naumburger Werkstatt?

Auch Otto II. folgte seinem Vater in der Verehrung des Mauritius, der zum christlichen Märtyrer geworden war, nachdem sich der thebäische Heerführer in der Regierungszeit des römischen Kaisers Maximian um das Jahr 300 n. Chr. zusammen mit seinen Gefährten geweigert hatte, den alten Göttern zu opfern und dafür mit dem Tod durch Enthauptung bestraft worden war. Seither galt Mauritius vor allem als Heiliger der Soldaten, der von diesen vor Kämpfen, Gefechten und Schlachten angerufen wurde.

Die Entstehungszeit und auch die realistische Gestaltung der Magdeburger Mauritius-Statue lassen für den Nichtfachmann Parallelen zu den Stifterfiguren des Naumburger Domes erkennen. Was ist an dem Eindruck dran? „Es liegt durchaus die Vermutung nahe, dass ein Künstler aus dem Umfeld des Naumburger Meisters die Mauritius-Skulptur geschaffen haben könnte“, erklärt Theisen.

Ebenso wie das berühmte Figuren-Ensemble im Naumburger Dom ist Mauritius in Lebensgröße und vollplastisch dargestellt sowie auf Untersicht gearbeitet, das heißt: Wie Uta in Naumburg hatte Magdeburgs Mauritius, dessen Kopf leicht nach vorn geneigt ist, einst eine deutlich erhöhte Position im Dom inne.

Mauritius ist bedeutendes Werk mittelalterlicher Bildhauerkunst

Dass hier ein künstlerischer Meister am Werk war, zeige sich vor allem daran, dass die Statue als Kontrapost gestaltet wurde. Dieses Gestaltungsmittel bezeichnet das Nebeneinander von Stand- und Spielbein einer menschlichen Figur zum Ausgleich der Gewichtsverhältnisse. „Der mittelalterlichen Bildhauerkunst wird die Fähigkeit, einen Kontrapost gestalten zu können, gern abgesprochen“, so Theisen. Aber Mauritius verfügt, wie die Reproduktion nunmehr wieder deutlich erkennen lässt, über Stand- und Spielbein.

Und so zeigt sich dank der im 3D-Verfahren entstandenen Mauritius-Skulptur, dass es sich bei dem nur als Fragment erhaltenen Original des Heiligen um ein bedeutendes Werk mittelalterlicher Bildhauerkunst handelt. (mz)

Dommuseum „Ottonianum“ Magdeburg, Domplatz 15, Di-So 10-17 Uhr.

Vergleich des rekonstruierten und überlieferten Gesichts des Heiligen
Vergleich des rekonstruierten und überlieferten Gesichts des Heiligen
DPA
Das als Torso erhaltene Mauritius-Original aus der Zeit um 1240/50 im Dom
Das als Torso erhaltene Mauritius-Original aus der Zeit um 1240/50 im Dom
DPA