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Landwirtschaft Forschung auf Hof Pfaffendorf: Biobauern haben den kleineren Klima-Fußabdruck

Der Umstieg auf eine ökologische Milchproduktion verringert den Ausstoß von Treibhausgasen deutlich. Wie das gelingt, hat ein Team der Universität Halle in Edderitz in der Stadt Südliches Anhalt untersucht.

Von Matthias Müller Aktualisiert: 04.10.2022, 14:51
Auf dem Weg zur Weide: Martin Spillecke, Leiter der Tierproduktion auf dem Hof  Pfaffendorf,   begleitet die Kühe vom Stall zu den  nahen Grasflächen.
Auf dem Weg zur Weide: Martin Spillecke, Leiter der Tierproduktion auf dem Hof Pfaffendorf, begleitet die Kühe vom Stall zu den nahen Grasflächen. Fotos: Matthias Müller

Halle/Edderitz/MZ - Es riecht, wie echte Landluft riechen muss. Der kernige Duft von Gülle und Mist wabert über das weitläufige Gelände, dazu passend ist ein langgezogenes „Muuuhhh!“ zu hören. Folgt man Geruch und Geräusch, sieht man schon bald dutzende Kühe, die vor einem von vier großen Ställen im Freien stehen und den Besucher neugierig aus großen Augen betrachten.

650 der Tiere leben auf diesem Standort des Hofs Pfaffendorf in Edderitz (Landkreis Anhalt-Bitterfeld). Rund 15.000 Kilogramm Milch werden dort jeden Tag gewonnen - und das besonders klimaschonend, seit der Betrieb seine Produktion von konventionell auf ökologisch umgestellt hat, wie Forscher der Universität Halle herausgefunden haben.

Für den Milchviehbetrieb war die Umstellung auf „Bio“ kein kleiner Schritt. „Aber wir haben ihn aus Überzeugung gemacht“, sagt Frederick Meurer, der die Geschäfte der Molkerei führt, die wiederum ein Baustein des Betriebsverbundes „Hof Pfaffendorf“ aus mehreren Unternehmen ist. Zwei Jahre sind für einen solchen Übergang vorgeschrieben. In dieser Zeit wurden beispielsweise die Ställe umgebaut, um die strengen Vorgaben für Platz und Auslauf zu erfüllen. Weideflächen in Stallnähe wurden angelegt, auf denen die Tiere grasen können. Die Bewirtschaftung der eigenen Felder, auch vorher teilweise schon rein biologisch, wurde komplett auf Ökolandbau umgestellt.

Im Melkhaus werden den Kühen die Melkbecher angelegt. Die Milch wird dann aus dem Euter maschinell gemolken und direkt in Großtanks weitergeleitet.
Im Melkhaus werden den Kühen die Melkbecher angelegt. Die Milch wird dann aus dem Euter maschinell gemolken und direkt in Großtanks weitergeleitet.
Foto: Matthias Müller

Im Januar 2020 bekam der Betrieb schließlich offiziell sein Biozertifikat. Und jetzt, wieder fast zwei Jahre später, zieht Meurer eine positive Bilanz: „Wir würden es auf jeden Fall wieder tun.“ Der Markt für Bioprodukte sei beständiger, für die Tiere sei das Ganze besser - und dass nun auch noch der Klimafußabdruck wissenschaftlich belegt um fast ein Zehntel kleiner ausfällt, „das ist schön zu wissen und bestätigt uns in unserer Arbeit“.

Bei der müssen die Pfaffendorf-Mitarbeiter täglich darauf achten, die Biokriterien einzuhalten. Etwa beim Futter: „Alles, was die Tiere bekommen, stammt aus ökologischem Anbau“, sagt Martin Spillecke, der für den Bereich Tierproduktion zuständig ist. Das meiste produziere man selbst direkt in der Region, von Futterstroh über Heu bis Maissilage. Auch eiweißreiche Kost wie Erbsen und Sojabohne ist Marke Eigenanbau. Nur Mineralien werden zugekauft - und Zuckerrüben-Melasse, damit es den Tieren besser schmeckt. „Aber auch das ist alles Bio“, ergänzt Spillecke, während hinter ihm bunt gefleckte Kühe gemächlich in der Sonne ihre Futtermischung fressen.

Nur geringe Ertragseinbußen auf Hof Pfaffendorf

60 Kilogramm pro Tag und ausgewachsenem, rund 600 Kilogramm schwerem Tier sind das in der Regel, dazu an heißen Tagen bis zu 150 Liter Wasser. Alles Daten, die in die Klimabilanz der halleschen Forscher eingeflossen sind - und die ein moderner Agrarbetrieb heutzutage ohnehin parat haben muss. So wie die Milchleistung, die der Hof während der Bio-Umstellung besonders kritisch im Blick hatte. „Wir haben eigentlich erwartet, dass es deutlich weniger Milch werden würde“, sagt Spillecke, selbst studierter Agrarwissenschaftler.

Doch das ganz große Minus blieb aus: 28 bis 30 Kilogramm, das ist die Abrechnungsgröße in der Milchindustrie, sind es pro Kuh täglich in der Bioproduktion, zuvor waren es 33 bis 35 Kilo. „Das ist für Bio sehr gut“, sagt Spillecke. Dafür werden die Tiere in Gruppen jeweils zwei Mal pro Tag ins Melkhaus geführt, wo moderne Maschinentechnik das Melken übernimmt und die Milch direkt in drei gekühlte Großtanks im Nachbarraum pumpt. „Die fassen zusammen 25.000 Liter“, sagt Spillecke mit Blick auf die mannshohen Behälter. „Das sind umgerechnet drei Melkrunden mit allen Kühen.“ Ein Teil davon geht an die nur einen Steinwurf entfernte Molkerei, die ihre Produkte unter dem Namen „Hof Pfaffendorf“ an Geschäfte und Supermärkte von Halle über Bernburg bis Bitterfeld liefert. Der größte Teil aber wird per Milchlaster an die Biomolkerei Luisenhof nahe Berlin transportiert, die daraus eigene Produkte herstellt.

Preisgefüge im Handel ist durcheinander

Macht sich die Umstellung auf Bio denn auch beim Verkaufspreis an den Großabnehmer bemerkbar? Für die Antwort muss Martin Spillecke etwas ausholen: „Der Biomilchpreis, den Erzeuger bekommen, lag über Jahre stabil bei um die 50 Cent pro Kilo.“ Damit habe man gut planen können. Zudem war der Abstand zu konventionell erzeugter Milch groß, die teils nur um die 30 Cent erzielte. „Doch das ändert sich gerade.“

In den vergangenen Monaten ist das Preisgefüge, als Folge des Ukrainekriegs mit Inflation und geänderten Kaufverhalten, gehörig durcheinandergeraten. Das bestätigt ein Blick auf die jüngsten Monatsdaten des Bioland-Verbunds aus 10.000 Betrieben, dem auch der Milchviehbetrieb Pfaffendorf angehört: Demnach verzeichnete Biomilch bis Ende August zwar einen Anstieg auf knapp 60 Cent, doch konventionelle Betriebe erhielten mit 57 Cent kaum weniger.

Kreislaufwirtschaft als Vorteil für den Hof bei Edderitz

Bio ist hier auf dem Hof Pfaffendorf jedoch ohnehin Teil eines ganzheitlichen Konzepts, das auch jenseits des reinen Milchpreises Vorteile bringt. „Wir profitieren von unserer eigenen Kreislaufwirtschaft“, sagt Frederick Meurer, dessen Mutter Birgit die Geschäfte des gesamten Betriebsverbundes führt. So sei man beispielsweise vom rasanten Preisanstieg bei Kunstdünger nicht betroffen, da man die Felder ohnehin grundsätzlich mit Gülle aus den eigenen Ställen dünge, erklärt Frederick Meurer. Und die Ausscheidungen der Kühe werden auch in der hofeigenen Biogasanlage genutzt. Die speist seit Jahren schon grünen Strom ins Netz ein, die Energie aus einer großen Photovoltaik-Anlage nutze man hingegen bis auf Überschüsse für den eigenen Betrieb.

Und Frederick Meurer plant angesichts derzeit ausufernder Preise noch mehr: „Bei mir steht ganz oben auf der Agenda, wo man Energie sparen kann“, sagt er. So gebe es zum Beispiel interessante Ansätze, wie man die vielen Tausend Liter Milch in den Tanks noch effizienter kühlen könnte. Für die Details dazu und mögliche andere Planungen will er sich mit einem Energieberater abstimmen. Am Ende könnte das dann nicht nur die Ausgabenseite des Betriebs entlasten, sondern seinen Klimafußabdruck noch weiter reduzieren.