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Gutachten-Affäre Entscheidung im Landtag in Magdeburg: Klärt Untersuchungsausschuss die Gutachten-Affäre?

Von Jan Schumann 29.09.2016, 12:06
Beratung im Plenarsaal des Landtags von Sachsen-Anhalt in Magdeburg.
Beratung im Plenarsaal des Landtags von Sachsen-Anhalt in Magdeburg. dpa-Zentralbild

Magdeburg - Linken-Chef Swen Knöchel erkannte so etwas wie eine historische Stunde für das Land: „Die Koalition fordert einen Untersuchungsausschuss - hat es so etwas in Deutschland schon einmal gegeben?“ Denn merkwürdig mute es natürlich an, dass Sachsen-Anhalts Landesregierung nun einen Ausschuss einsetze, um eigene Vertragsgeschäfte untersuchen zu lassen.

Und auch die zweite Oppositionsfraktion suchte am Donnerstag das Historische im Moment: Die AfD feiert die Entscheidung für einen Untersuchungsausschuss zur Gutachtenaffäre als geschichtsträchtige Episode. Weil die Koalition aus CDU, SPD und Grünen den Antrag der AfD aufgenommen hatte, frohlockte AfD-Fraktionschef André Poggenburg via Pressemitteilung, er sei „sehr stolz“ auf dieses „deutliche Signal für die gute parlamentarische Arbeit der AfD“.

Ausschuss wird auf alle Ministerien angesetzt

Klar ist: Der Problemkomplex „Gutachtenaffäre“, in dem es um millionenschwere Gutachten, Beraterverträge und Studien geht, die mutmaßlich am Landtag vorbei vergeben wurden, wird in Zukunft mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgerollt. Mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen und eben der AfD wurde dies im Parlament beschlossen - mit dem entscheidenden Detail, dass die schwarz-rot-grüne Koalition zwar den AfD-Antrag aufnahm, aber erheblich erweiterte. Denn die AfD wollte lediglich das Gebaren im Finanzministerium in den Jahren 2011 bis 2016 aufspießen lassen - die Koalition setzte am Donnerstag hingegen durch, dass auch in den restlichen Ressorts die Vertragsvergabe scharf unter die Lupe genommen wird.

„Es macht wenig Sinn, sich einzelne Ressorts herauszupicken und andere auszusparen“, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in der Debatte. „Die Landesregierung unterstützt ausdrücklich die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf alle Ministerien.“ Er versprach volle Transparenz. Die AfD stimmte der Ausweitung zu - einen Nachteil sahen die Abgeordneten dadurch nicht.

Die Linke warf der AfD im Landtag hingegen Scheinheiligkeit vor. Für die Fraktion sei der gesamte Komplex „mehr Spiel als Aufklärung“, kritisierte Linken-Fraktionschef Knöchel - vor allem, weil die AfD Aufklärung im Finanzministerium fordere, obwohl in dem Fall bereits umfangreiche Akten zur Einsicht im Parlament liegen. „Es liegt schon im Hellen, was sie aufklären wollen“, so Knöchel in Richtung der AfD. „Sie wollen Verantwortliche ermitteln, die bereits benannt sind.“

„Intransparente Verfahren“

Tatsächlich hatte AfD-Mann Robert Farle am Donnerstag den Rücktritt von Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD) gefordert, denn dessen Unterschrift findet sich unter einem millionenschweren Geschäftsbesorgungsvertrag aus dem Jahr 2013 zwischen Finanzministerium und Investitionsbank. Felgner unterschrieb damals als Staatssekretär im Finanzministerium von Jens Bullerjahn (SPD). Aus Ministeriumsakten geht hervor, dass Felgner mit der Unterschrift den Willen seines Ministers durchsetzte. Linken-Chef Knöchel hatte zuletzt vom „System Bullerjahn“ gesprochen. Der Grünen-Abgeordnete und Chef des Finanzausschusses Olaf Meister merkte süffisant Richtung AfD an, „traditionell ist es so, dass man erst untersucht und dann den Rücktritt fordert.“

Ursprung der seit Monaten laufenden Gutachtendebatte ist eine Untersuchung des Landesrechnungshofes. Die Prüfer kritisieren, dass hochkarätige Verträge durch Ministerien ohne Parlamentskontrolle, Wirtschaftlichkeitsprüfung und Vergleichsangebote vergeben wurden. CDU-Finanzexpertin Eva Feußner sprach von „intransparenten Verfahren“. Sie fragte auch, „wie können wir Ministeriumsmitarbeiter schützen“, die sich künftig kritischen Entscheidungen ihrer Vorgesetzten widersetzen? Sie forderte ein Clearingstelle zur Aufklärung solcher Fälle. (mz)