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Eisige Stimmung Eisige Stimmung: Corona-Pandemie hat Urlaubsbranche mit voller Wucht erwischt

Von Jonas Nayda 29.04.2020, 20:35
"Rettet die Reisebranche" und "Wir sind Touristik" steht auf einem Schild eines Demonstranten, der hinter einer Absperrung auf dem Domplatz steht. 
"Rettet die Reisebranche" und "Wir sind Touristik" steht auf einem Schild eines Demonstranten, der hinter einer Absperrung auf dem Domplatz steht.  dpa-Zentralbild

Magdeburg/Halle (Saale) - Mitarbeiter von Reisebüros sind allgemein nicht dafür bekannt, besonders laut zu sein. Doch die 50 Menschen, die sich am Mittwochnachmittag auf dem Marktplatz in Halle versammelt haben, sorgen für einigen Lärm. Mit Trillerpfeifen und Tröten machen sie lautstark auf sich und die prekäre Lage der Reisebüros in der Stadt aufmerksam.

Nur unter strengen Auflagen hatte die Polizei die Reisebüro-Demonstration genehmigt. Die Teilnehmer tragen Mundschutz und halten Abstand zueinander. Aus Reisekatalogen haben sie ein großes „SOS“ auf die Pflastersteine gelegt und auf Transparenten stehen Botschaften wie: „Leere Koffer = Leere Kassen“ oder „Wir wollen überleben“.

„Eigentlich wären wir viel mehr, aber die Teilnehmerzahl wurde beschränkt“, sagt Katrin Brückner. Die Inhaberin des Reisebüros „Alltours Reisecenter“ in Halles Süden ist wütend und sie hat Angst. Weil seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie weltweit nahezu alle Urlaubsreisen ausfallen und die Kunden auch für die bevorstehende Sommersaison die meisten Touren storniert haben, sei das Geschäft in der Reisebranche vollkommen zusammengebrochen.

Krisenzeit: Reisebüros haben doppelte Arbeit, aber ohne Bezahlung

„Die Reisebüros sind in kürzester Zeit tot. Wir haben in Krisenzeiten doppelte Arbeit, die wir nicht bezahlt bekommen“, sagt Brückner. Die Reisebüros müssten für jede abgesagte Reise die Provision zurückzahlen und hätten deswegen viel bürokratischen Aufwand. Kurzarbeit helfe laut Brückner auch nicht weiter, weil dabei die Arbeit liegen bleiben würde.

Was die Reiseexpertin stellvertretend für die vielen Veranstalter, Mitarbeiter in den Reisebüros und in den Busunternehmen fordert, ist schnelle finanzielle Hilfe der Bundesregierung. 60 Prozent aller Reisebüros in Deutschland stünden kurz vor der Insolvenz. Kredite wären ungünstig, weil die kleinen und mittelständischen Unternehmen, zu denen die meisten Reisebüros zählen, sie nicht zurückzahlen könnten. Deshalb verlangt sie einen Rettungsfonds, der so bald wie möglich in Kraft treten soll.

„Wir waren als erste von der Corona-Krise betroffen und werden als letzte wieder heraus kommen“, sagt Brückner. Wann die Menschen wieder uneingeschränkt verreisen können, sei nicht klar. Seit 25 Jahren verkaufe sie nun schon Reisen an ihre Kunden. Doch ohne finanzielle Hilfe sei sie es, die schlussendlich ihre Koffer packen müsse, sagt Brückner.

Mahnwache und Protest in Magdeburg: Demonstration vor dem Landtag

Auch vor dem Landtag in Magdeburg wurde am Mittwoch demonstriert. Rund 400 leere Koffer, die auf dem Domplatz abgestellt standen, sollten eine Mahnwache für das drohende Schicksal der Reisebüros darstellen. Außerdem haben zwei Dutzend hupende Reisebusse einen Konvoi durch die Landeshauptstadt gebildet. „Wir brauchen dringend ein staatliches Rettungspaket, damit wir überleben können“, sagt Christian Engelhardt von der Arbeitsgemeinschaft regionale Reisebüros und Veranstalter. Er fordert auch eine „richtungsweisende und verantwortungsvolle Exit-Strategie mit klaren Perspektiven“ für die Zukunft.

Mögliche Reiseziele in der laufenden Saison könnten die deutschen Länder, aber eventuell auch Österreich oder die Niederlande sein. Nach den jüngsten vorliegenden Zahlen des Statistischen Landesamtes aus dem Jahr 2017 gibt es zwischen Arendsee und Zeitz gut 240 Reisebüros und Veranstalter sowie weitere Vermittlungsbetriebe. Sie beschäftigen gut 1300 Menschen. (mz)

Koffer unterschiedlicher Form, Größe und Farbe stehen auf dem Domplatz Magdeburg: Eine Mahnwache und Kundgebungen machen auf die aktuell schwierige Situation in der Reisebranche aufmerksam.
Koffer unterschiedlicher Form, Größe und Farbe stehen auf dem Domplatz Magdeburg: Eine Mahnwache und Kundgebungen machen auf die aktuell schwierige Situation in der Reisebranche aufmerksam.
dpa-Zentralbild