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Imbiss-Betreiber "Jude" genannt Antisemitismus bei Bereitschaftspolizei in Sachsen-Anhalt: Imbiss wird stets "Jude" genannt

Von Hagen Eichler 12.10.2020, 18:25
Der Bereitschaftspolizei in Sachsen-Anhalt wird Antisemitismus vorgeworfen.
Der Bereitschaftspolizei in Sachsen-Anhalt wird Antisemitismus vorgeworfen. www.imago-images.de

Magdeburg - Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) will von externen Experten untersuchen lassen, wie verbreitet Antisemitismus und Rassismus in der Landespolizei sind. Anlass sind judenfeindliche Einstellungen bei der Bereitschaftspolizei, die er am Montag bekanntmachte.

Laut Stahlknecht ist es in der Magdeburger Kaserne seit vielen Jahren üblich, den Betreiber der dortigen Kantine als „Juden“ zu bezeichnen.

Hinweise auf Antisemitismus bei Bereitschaftspolizei

Details und Hintergründe ließ der Minister auch auf MZ-Nachfrage offen. Polizei-Abteilungsleiterin Christiane Bergmann betonte aber, dass es Hinweise auf einen antisemisitischen Hintergrund gebe.

Die Bezeichnung werde bereits seit den 1990er Jahren verwendet. „Man kann nicht von Einzelfällen sprechen“, betonte Bergmann. Der Vorwurf richte sich gegen die gesamte Bereitschaftspolizei in Magdeburg.

Kantinenbetreiber als „Juden“ bezeichnet

Stahlknecht sagte, der Hinweis habe sein Ministerium durch eine E-Mail aus der Polizei erreicht. Der Tippgeber wolle anonym bleiben. In der E-Mail heißt es, die Formulierung „Jude“ sei in der Bereitschaftspolizei jedem bekanntgewesen.

„Die komplette Dienststelle kannte diesen Umstand und tat nichts zur Unterbindung oder leitete Disziplinarverfahren beziehungsweise Strafverfahren ein“, schrieb der Tippgeber. „Dieser institutionelle Antisemitismus muss aufhören.“

Stahlknecht kündigt Untersuchung an

Stahlknecht sagte, die E-Mail sei ihm am vergangenen Freitag bekanntgeworden - am Jahrestag des antisemitischen und rassistischen Terroranschlags von Halle. „Die Vorwürfe wurden unverzüglich untersucht und haben sich bestätigt“, sagte Stahlknecht. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) wurde am Montag informiert, wie Regierungssprecher Matthias Schuppe auf MZ-Anfrage sagte.

Seehofer gegen Rassismus-Studie bei der Polizei

Bislang hatten die Innenminister der Union bei der Forderung nach einer Rassismus-Studie über die Polizei gebremst. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte noch in der vergangenen Woche verkündet, es gebe in den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern „kein strukturelles Problem“.

Jetzt will sich Stahlknecht seinem niedersächsischen Kollegen Boris Pistorius (SPD) anschließen, der eine Studie auf Landesebene angekündigt hat.

Externe Sonderkommission geplant

Für die Aufklärung der konkreten Vorwürfe will Stahlknecht zudem eine externe Sonderkommission einrichten. Der Extremismus-Experte Jerzy Montag soll deren Arbeit begleiten „und ab Januar strategisch leiten“, sagte Stahlknecht. Mit der Berufung von Fachleuten von außerhalb wolle er dem Verdacht entgegentreten, dass die Ermittlungen durch Korpsgeist beeinträchtigt würden.

Die Vorgänge würden „mit absoluter Härte“ aufgeklärt, kündigte Stahlknecht an. Er sei „betroffen, erschrocken, wütend und erschüttert“ über das Bekanntgewordene. „Es wird eine Null-Toleranz-Strategie geben.“ Personelle Konsequenzen seien jedoch erst nach den Untersuchungen möglich. „Wir stehen am Anfang der Aufklärung eines erschütternden Vorwurfs.“

Stahlknecht nach Äußerungen unter Druck

Der Minister ist bereits seit Tagen unter Druck. Bei einem Besuch des Polizeireviers Dessau-Roßlau hatte er gesagt, die für die Bewachung jüdischer Einrichtungen aufgewendeten Arbeitsstunden fehlten anderswo. Der Zentralrat der Juden warf Stahlknecht daraufhin vor, er stelle Juden als privilegiert dar und spiele sie gegen andere Bevölkerungsgruppen aus.

„Damit befördert er Antisemitismus“, kritisierte Zentralrats-Präsident Josef Schuster. Bei der Gedenkfeier für den Terroranschlag von Halle sagte der Chef der Jüdischen Gemeinde, Max Privorozki, Stahlknechts Aussagen hätten ihn „wirklich erschrocken“. (mz)