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Rücktritt  AfD-Politiker Daniel Rausch: Der Sieben-Minuten-Mann aus Sachsen-Anhalt

Von Anja Förtsch 02.06.2016, 18:46
Daniel Rausch (AfD) gibt seinen Posten als Vizepräsident nach wenigen Wochen auf.
Daniel Rausch (AfD) gibt seinen Posten als Vizepräsident nach wenigen Wochen auf. dpa

Magdeburg - Sieben Minuten. So lang war der Tagesordnungspunkt, der die kurze Karriere des AfD-Politikers Daniel Rausch als Landtagsvizepräsident beendete. Am Mittwoch leitete er seine erste und einzige Sitzung im Landtag Sachsen-Anhalts. So laut wie der Paukenschlag war, als Rausch als erster AfD-Politiker in Deutschland Landtagsvizepräsident wurde, so kleinlaut verabschiedet er sich am Donnerstag von seinem Posten.

Leitung der ersten Sitzung entglitten

Der Grund dafür fand sich am Mittwochnachmittag: Rausch ist die Leitung seiner ersten Sitzung entglitten. Der AfD-Politiker wirkt während des siebenminütigen Tagesordnungspunktes über die Besetzung des Landesjugendhilfe-Ausschusses fahrig und überfordert. Er verrennt sich in seinen Sätzen, muss sich mehrfach beim Direktor und den Mitgliedern der Landtagsverwaltung erkundigen, lacht nervös. Dann bittet Linken-Fraktionschef Swen Knöchel um eine Unterbrechung der Sitzung.

Schuld daran sind seine eigenen Leute

Rausch blickt um sich, fragt bei der Landtagsverwaltung nach und gibt der Bitte schließlich sichtlich erleichtert nach. Nach einer Unterbrechung der Debatte übergibt er die Sitzungsleitung - entgegen der Planung - an Landtagspräsident Hardy-Peter Güssau (CDU). Der Schlussakkord der wohl kürzesten Vizepräsidenten-Karriere in Deutschland. Nach MZ-Informationen warf Rausch hin, weil er sich überfordert fühlt. Die Pointe: Schuld daran sind seine eigenen Leute. Eigentlich ist die Wahl des Jugendhilfe-Ausschusses eine Formalie. Die AfD aber hatte versucht, einige Kandidaten zu verhindern. Rausch verlor dabei den Überblick.

Offiziell aus „persönlichen Gründen“

Das Amt des Landtagsvizepräsidenten hatte der 53-Jährige erst seit dem 12. April inne. Nach nur rund sieben Wochen ist nun also Schluss: Offiziell erklärte Rausch laut Landtagspräsident Güssau seinen Rücktritt aus nicht näher erklärten „persönlichen Gründen“. Rausch selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Nach seinem Einzug in den Landtag im März wurde Rausch überraschend klar zum Landtagsvizepräsidenten gewählt – mit 46 Stimmen. Notwendig waren mindestens 44. Ein knappes Ergebnis also. Im Gegensatz zum zweiten Landtagsvizepräsidenten Wulf Gallert (Linke), der zunächst durchfiel, gelang Daniel Rauschs Wahl aber bereits im ersten Urnengang.

Selbstbewusst und locker im einzugsfertigen Büro

Vier Wochen zuvor ist das Bild von Rausch noch ein ganz anderes. Da sitzt der 53-Jährige selbstbewusst und locker im einzugsfertigen Büro im Landtag, sein Handy klingelt. Von einem älteren AfD-Politiker würde man jetzt wohl etwas Konservatives als Klingelton erwarten, sicher etwas Deutsches, vielleicht Schlager, Helene Fischer oder Andrea Berg. Aus dem Telefon von Rausch erklingt laut DJ Antoines Techno-Hit „Welcome To St. Tropez“. Zugegeben, das kommt unerwartet. Ein paar Sätze am Telefon über die Planung des Mittagessens, dann ist Rausch wieder zurück im Gespräch. „Entschuldigung, da musste ich jetzt rangehen“, lächelt er.

Rausch lächelt überraschend viel - für einen Spitzenpolitiker einer Protest-Partei. Die AfD ist vor allem dagegen - gegen den Euro, gegen Globalisierung, gegen Überfremdung, gegen die Lügenpresse, gegen die „Altparteien“. Bei dem letzten Begriff zieht Rausch die Oberlippe hoch, als hätte er etwas Widerliches gesagt.

Gebürtiger Gothaer ist gelernter Werkzeugmacher

Der gebürtige Gothaer und gelernte Werkzeugmacher - „wie Norbert Blüm“ - arbeitete zuletzt als CNC-Programmierer in einer Magdeburger Metallbaufirma. In Staßfurt im Salzlandkreis kaufte sich die Familie vor einigen Jahren ein altes Gemäuer und richtete es über vier Jahre eigenhändig in der Freizeit her. Rausch steht auf alte Sachen, sammelt Antiquitäten und liest Bücher in altdeutscher Schrift.

Erzählen kann er gut: Rausch spricht damals flüssig, mit leichtem fränkischem Dialekt, wirkt interessiert und hält Blickkontakt. Von seinem souveränen und selbstbewussten Auftreten her könnte man meinen, er sei schon Jahre im Amt des Landtagsvizepräsidenten. Ein erster Eindruck, der angesichts des Auftrittes am Mittwoch jedoch dramatisch täuschte.

Anderes Gesicht bei Reizthemen

Ein anderes Gesicht des Daniel Rausch zeigt sich auch, wenn das Gespräch auf Reizthemen kommt. Dann wird seine Stimme dröhnender, die Worte schneller, die Gesten wilder - und die Aussagen kerniger. „Kenia“ sei eine „Koalition der Wahlverlierer“, genau das sei ihr Problem und man könne froh sein, dass die CDU immerhin das Bildungsministerium behalten habe und so rot-grüne Experimente verhindern könne, das sei ihm auch persönlich sehr wichtig. Und die Euro-Rettung, 2016 gehe es ja wieder los, dass wieder neue Fonds aufgelegt werden und der Internationale Währungsfonds von Deutschland einen Schuldenschnitt verlange „und wer bleibt dann darauf sitzen? Der deutsche Steuerzahler!“ Irgendwann sei auch mal Schluss, das gehe nicht und man rette ja nicht das griechische Volk, sondern deutsche, englische, amerikanische und französische Banken. „Das ist doch hirnrissig“, schimpft Rausch. Und die Kirche, wie die sich zur Flüchtlingsproblematik äußere, da kämen Flüchtlinge im Zug hierher und riefen „Tod den Ungläubigen“, aber damit meinten die ja auch die Christen, das seien ja für die Ungläubige, „und da will die Kirche die Flüchtlinge noch unterstützen!“ Ein Gespräch mit Rausch hat auch so ein bisschen was von Stammtisch.

Gründung des AfD-Kreisverbandes im Salzlandkreis

Er war schon immer politisch interessiert, erzählt Rausch, sei früher zu den Montagsdemonstrationen gegangen. „Ich wollte das DDR-Regime absetzen“, sagt Rausch. Er wollte die soziale Marktwirtschaft, bekommen habe er aber „Turbo-Kapitalismus“. 2013 sah er dann die Plakate der AfD zur Bundestagswahl. Wenige Wochen später gründete er den AfD-Kreisverband Salzlandkreis und wurde Vorsitzender.

Vor seiner Kandidatur bei der Landtagswahl zweieinhalb Jahre später zögerte er kurz: „Ich habe mich gefragt, ob ich der Sache gewachsen bin. Wir sind ja keine Berufspolitiker, sondern Bürger, die in das Parlament gewürfelt wurden.“ Heute klingt diese Aussage wie eine Prophezeiung. Rauschs Bedenken waren offenbar begründet, er der Sache nicht gewachsen. (mz)