„Gesichert rechtsextrem“ AfD gewinnt in Sachsen-Anhalt Hunderte neue Mitglieder - trotz Verfassungsschutz-Beobachtung
Trotz Verbotsdebatte und Verfassungsschutz-Beobachtung: Die rechtsextreme AfD verbucht in Sachsen-Anhalt einen enormen Mitgliederzuwachs. Alle anderen Parteien verlieren hingegen.

Magdeburg/MZ - Die rechtsextreme AfD in Sachsen-Anhalt hat als einzige im Landtag vertretene Partei 2023 ein Mitglieder-Plus verzeichnet. Nach AfD-Angaben stieg die Anzahl der Mitglieder im vergangenen Jahr von 1.438 auf 2.050 – es lägen zudem weitere Anträge vor, die bisher noch nicht bearbeitet worden seien, betonte die Landesgeschäftsstelle in Magdeburg auf MZ-Anfrage. Damit verzeichnet die Partei in Sachsen-Anhalt ein Mitgliederplus von gut 42 Prozent – die politische Konkurrenz verlor dagegen ausnahmslos Mitglieder.
AfD bundesweit mit Mitglieder-Plus von 37 Prozent
Mit diesem Zulauf im vergangenen Jahr etabliert sich die AfD gut zehn Jahre nach ihrer Gründung als viertgrößte Partei in Sachsen-Anhalt – trotz Einstufung durch den Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ und der einhergehenden Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst.
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Nur CDU, SPD und Linkspartei haben noch mehr Mitglieder. „Es könnte sein, dass wir bis Jahresende noch ein paar Hundert Mitglieder dazugewinnen“, sagte AfD-Landeschef Martin Reichardt der MZ. „Wir geben aber keine Ziele aus, das wäre vermessen.“ Das Wachstum der AfD im Land deckt sich mit Angaben des Bundesverbandes: Dieser meldet für das Jahr 2023 ein Mitgliederplus von 37 Prozent.
Mitglieder-Zuwachs bei der Alternative für Deutschland: Experte nennt Gründe
Warum wächst ausgerechnet die AfD, während alle anderen Parteien stagnieren oder schrumpfen? „Menschen treten fast nur aus zwei Gründen in Parteien ein“, sagte der Magdeburger Politikpsychologe Thomas Kliche: „Um deren Richtung zu stärken und um Ämter zu ergattern.“ So sei es auch im Fall AfD, erklärte der Professor an der Fachhochschule Magdeburg-Stendal.
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„Sie ist inzwischen etablierte Sammelbewegung für alle Rechten, und gerade Rechtsextreme stärken sie auch organisatorisch, um sie als Sprachrohr und Hebel gegenüber Medien und Gesellschaft zu benutzen.“ Kliche betonte mit Blick auf die AfD: „Da ihre Mitgliederbasis im Vergleich zu anderen Parteien immer noch dünn ist, bietet sie auch Chancen, bei weiterem Wachstum politische Karriere zu machen.“ Der Politikexperte sagte: „Diese Gründe reichen, um einige Tausend Menschen anzuziehen.“
Uni-Professoren aus Halle fordern Debatte über AfD-Verbot
AfD-Landeschef Reichardt sieht hingegen programmatische Gründe für das Wachstum der AfD. „Es ist so, dass wir in den politisch bedeutsamen Themen immer klar Kante gezeigt haben“, sagte er: Sei es in der Corona-Politik, mit Blick auf Russland-Sanktionen oder Migration. Die Verfassungsschutz-Beobachtung hemme das Parteiwachstum nicht: „Die Menschen erkennen, dass der Verfassungsschutz eine von der Regierung gesteuert Behörde ist, deren Ziel es ist, die AfD zu diskreditieren“, meinte Reichardt.
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Alle anderen im Landtag vertreten Parteien fuhren 2023 indes Mitgliederverluste ein, wie eine MZ-Umfrage zeigt. Als größte Partei verlor die CDU rund 50 Mitglieder, sie zählte zum Jahreswechsel 5.756 Christdemokraten im Land. Die SPD schrumpfte in ähnlicher Größenordnung auf 3.177 Mitglieder. Als drittstärkste Kraft büßte die Linke rund 300 Mitglieder ein, sie liegt bei 2.511. Die kleinsten im Landtag vertretenen Parteien sind die Grünen mit 1.271 Mitgliedern und die FDP mit 1.163.
Der hallesche Politologe Johannes Varwick forderte am Mittwoch im MZ-Interview, die Option eines AfD-Verbots ab sofort offen zu diskutieren. Er hoffe, „dass allein die Diskussion darüber doch noch einige Menschen überzeugt, sich nicht in einer Partei zu engagieren, die wegen verfassungsfeindlicher Positionen verboten werden könnte“.
60 Professoren aus Halle haben einen entsprechenden Aufruf unterzeichnet. „Wir können nicht so weitermachen wie bisher, sonst werden wir die AfD in den ersten Landesregierungen haben“, forderte Varwick.