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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Viereinhalb Jahre Haft für bitterböse Eltern

Von Stefan Kruse 15.11.2006, 08:52
Die Bilder zeigen die Eltern Daniel B. (l.) und Sandra S. im Landgericht in Stendal, wo sie ihre Gesichter verbergen. (Foto: dpa)
Die Bilder zeigen die Eltern Daniel B. (l.) und Sandra S. im Landgericht in Stendal, wo sie ihre Gesichter verbergen. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Stendal/dpa. - Die Eltern des zweijährigen Benjamin aus Schlagenthin (Jerichower Land), dessen verweste Leiche in einer Mülltonne gefunden wurde, müssen viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Beide hätten den Jungen und mindestens zwei weitere ihrer sechsKinder über Jahre hinweg in böswilliger Weise vernachlässigt,urteilte das Landgericht Stendal am Mittwoch.

Demnach mussten die Kleinen in einer verdreckten und stinkendenWohnung leben, waren teils unterernährt und hatten schwereEntwicklungsstörungen. Nach Überzeugung des Gerichts machte sich das Paar im Alter von 27 und 28 Jahren deshalb der Misshandlung von Schutzbefohlenen schuldig. Für den Tod Benjamins seien sie hingegen nicht strafrechtlich zu belangen, weil die Todesursache nicht mehr zweifelsfrei feststellbar sei.

«Es ist wahrscheinlich, dass die Angeklagten für seinen Todverantwortlich sind, aber nicht zu beweisen», sagte der Vorsitzende Richter Gerhard Henss. Wahrscheinlich sei Benjamin an einer Infektion gestorben. Das tote Kind war im Februar - eingewickelt in eine Plastiktüte - in einer Mülltonne auf dem völlig verwahrlosten elterlichen Grundstück entdeckt worden. Es kam vermutlich bereitsknapp ein Jahr zuvor im März 2005 ums Leben. Genaues Datum undUmstände sind unbekannt, die Eltern schwiegen im Prozess.

«Die Eltern haben ihren Kindern vorenthalten, was jedes Kindbraucht: Persönliche Zuwendung, Nahrung und Unterkunft», sagte derRichter in seiner Urteilsbegründung. Minutenlang schilderte er dieunfassbaren Zustände, denen die Kinder des Paares im Alter zwischeneinem und acht Jahren ausgesetzt waren. «Die Jungen und Mädchenmussten sich überwiegend von Keksen ernähren, hatten keinkindgerechtes Essen. In ihrem eisig kalten so genannten Kinderzimmerbefanden sich zwei mit Plastikfolie überzogene Matratzen, mehrereschmutzige Decken und eine übervolle Campingtoilette.»

Spielzeug wurde den Kindern laut Gericht von den Eltern gezieltvorenthalten. Hilfsangebote etwa von Ämtern oder von anderen Familienlehnte das Paar oft ab. Die Eltern selbst hätten keine materielle Notgelitten, sich selbst gut ernährt und die Wohnräume beheizt. EinComputer, mehrere Fernseher und ein Auto hätten die Eltern besessen.Hingegen hätten sie zwei Kinder aus dem Kindergarten abgemeldet, weilihnen 3,50 Euro Essengeld pro Tag zu viel gewesen seien. «Wer sohandelt, handelt aus Geiz», sagte Richter Henss.

Keine Mitschuld am Tod Benjamins sieht das Gericht bei denSozialbehörden, denen die Familie als Problemfall bekannt war und zuder es auch Kontakte gab. «Weder strafrechtlich noch moralisch trifftdie Mitarbeiter des Jugendamtes eine Schuld», sagte der Richter.Problem seien die nicht ausreichenden Gesetze: «Jugendämter habenkeine wirksamen Instrumente zur schnellen Hilfe für Kinder zurVerfügung, wenn erziehungsungeeignete Eltern Hilfsangebote ablehnen.»

Während des Ende August begonnenen Prozesses hatten sich dieEltern nicht geäußert. Zum Abschluss ergriff der Vater kurz das Wort:«Es tut mir leid, was geschehen ist, und hoffe, dass mir meine Kinderirgendwann einmal verzeihen», sagte er mit leiser Stimme. DieStaatsanwaltschaft hatte für das Paar fünf Jahre Gefängnis gefordert,die Verteidigung drei Jahre. Zwei der fünf noch lebenden Kinder desPaares im Alter zwischen einem und acht Jahren wurden inzwischen zurAdoption freigegeben.