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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Lernen im grünen Klassenzimmer

Von Sabrina Gorges 12.06.2013, 05:13
Schüler verfolgen in Hundisleben (Sachsen-Anhalt) wie der Pädagoge Jens Vollmann mit einem Kescher angelt.
Schüler verfolgen in Hundisleben (Sachsen-Anhalt) wie der Pädagoge Jens Vollmann mit einem Kescher angelt. DPA Lizenz

Hundisburg/DPA - Mit langen Keschern stochern sie im Wasser herum. Die coolen Jungs klopfen hier und da ein paar Sprüche, die Mädchen kreischen ab und an. Selbst beim Ausleeren der feinen Fangnetze in die blauen und gelben Eimer kommt der Teeniestatus nicht zu kurz. Jens Vollmann achtet darauf, dass die Neuntklässler trotzdem schön bei der Sache bleiben. „Spült mir ja den Schlamm ordentlich aus den Keschern, bevor ihr sie auskippt“, ruft der Pädagoge den Schülern zu. „Wir wollen nachher Tiere im Eimer haben und keinen Dreck.“ Vollmann unterrichtet an der Öko-Schule in Hundisburg in der Börde. Sie ist eine von sieben Schulen dieser Art in Sachsen-Anhalt. Ihr oberstes Lernziel: praxisnaher, naturwissenschaftlicher Unterricht. Nicht im Klassenraum, sondern am besten draußen an der frischen Luft.

Theorie und Praxis vereinen

„Die Schüler kommen im Rahmen von Projekten“, sagt Vollmann, der Lehrer für Sozialkunde und Geschichte ist. Seit Eröffnung der Öko-Schule Hundisburg 1993 ist er auch deren Koordinator. Pro Jahr machen rund 1800 Schüler in der im Hundisburger Schloss ansässigen Bildungseinrichtung Unterricht in und mit der Natur. „Am besten klappt das, wenn das Thema gerade im Unterricht behandelt wird. Da gehen Theorie und Praxis dann wunderbar einher“, sagt der 52-Jährige. Seinen Angaben zufolge ist die Öko-Schule in Hundisburg die mit den landesweit geringsten Schülerzahlen. „Die Zahlen gehen ja allgemein zurück“, sagt er. „Aber wir partizipieren vom 'Haus des Waldes', von der Jugendherberge Haldensleben und von der Hundisburger Ziegelei.“

An zwei Tagen in der Woche ist Vollmann da - immer Dienstag und Mittwoch. Die andere Zeit lehrt er in Erxleben. Ihm zur Seite steht Biologie-Lehrerin Ines Ziemann. Sie schöpft nebenan mit lebhaft-interessierten Drittklässlern Papier und gießt Kerzen. Sonst ist sie in Calvörde im Einsatz. Beide kommen zusammen auf 20 Wochenstunden. So ist es mit dem Kultusministerium vereinbart. „Wir werden als Pädagogen für den Öko-Unterricht quasi abgeordnet“, sagt Ziemann. Die Stadt Haldensleben ist Träger der Schule. Geld gibt es auch vom Landkreis Börde. Angeboten werden Lernprogramme für Sekundar-, Grund- und Sonderschulen sowie für Gymnasien.

Gespür für die Umwelt wecken

Mit gefüllten Eimern, schlammigen Schuhen und einigen nassen Hosen geht es für die mehr als 20 Neuntklässler vom Flüsschen Beber zurück in die Öko-Schule. Vollmann ist auch auf dem Rückweg ständig damit beschäftigt, bei den Jugendlichen ein Gespür für die Umwelt zu wecken. „Das ist nicht einfach. Sie haben andere Dinge im Kopf“, sagt er. Den Lebensraum Wasser will er ihnen mit einer Wassergütebeurteilung näher bringen. „Ihr habt viele kleine Organismen aus dem Fluss geschöpft“, ruft er mit lauter Stimme über die gestylten Köpfe hinweg. „Ihr werdet sie gleich bestimmen und zählen. Sie zeigen, wie sauber das Wasser ist.“

Kurz danach sitzen die Schüler vor Mikroskopen, Zetteln und Mini-Laptops. Sie machen Larven von Stein- und Eintagsfliegen ausfindig und erkennen Flussnapfschnecken. Putzige Wasserasseln und niedliche Flussflohkrebse versetzen so manchen Teenager in Verzückung. Ethische Bedenken werden vorgetragen. Vollmann kommt um ein Versprechen nicht herum. „Kein Tier stirbt. Ihr passt auf, dass sie immer gut im Wasser sind und ich bringe sie alle wieder persönlich zurück. Garantiert.“

Dass Öko-Schulen als außerschulische Lernorte das Bewusstsein für Natur und Umwelt verändern, daran hat Vollmann keinen Zweifel. Der Lehrer nennt das „modernen Projektunterricht mit Kopf, Herz und Hand“. „Unser Angebot reicht von der Fotosafari über Tiere der Dunkelheit bis zur Naturkosmetik“, sagt er. „Es geht darum, den Unterricht zu ergänzen. Den Wald zu entdecken, die Wiese zu fühlen oder Insekten zu fotografieren setzt sich eben viel stärker in den Köpfen fest als graue Theorie an der Schultafel.“

Schüler stochern in Hundisleben (Sachsen-Anhalt) mit Keschern im Wasser herum. Sie lernen in der Ökoschule in Hundisburg in der Börde.
Schüler stochern in Hundisleben (Sachsen-Anhalt) mit Keschern im Wasser herum. Sie lernen in der Ökoschule in Hundisburg in der Börde.
DPA Lizenz