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Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt: Drogen aus der Halle

Von BERND KAUFHOLZ 11.02.2010, 18:26

MAGDEBURG/VS. - Rund 5 000 Hanfpflanzen - auf dem schwarzen Markt mehrere Millionen Euro wert - wuchsen auf der oberen Etage des Gebäudes in zehn Räumen. Die Plantage in Atzendorf gehörte zu den sogenannten Profianlagen, in denen jeweils mehr als 500 der Pflanzen heranwachsen. Drei Männer im Alter von 38, 44 und 47 Jahren kamen nach dem Fund in Atzendorf in Untersuchungshaft. Inzwischen ist der Fall an die Staatsanwaltschaft abgegeben worden.

Seit 2007 ist der Hanfanbau in sogenannten Indoor-Anlagen in Sachsen-Anhalt deutlich angestiegen. Waren es vor drei Jahren lediglich zwei Kleinanlagen, die entdeckt wurden, waren es 2009 elf Anlagen, zwei davon mit mehr als 500 Pflanzen.

Doch für die Ermittler ist das nur die Spitze des Eisbergs. "Die Dunkelziffer ist hoch", sagt Michael Klocke vom Landeskriminalamt. Er schildert, wie der Hanfanbau unter Dach nach Sachsen-Anhalt kam: "In Holland ist vor einigen Jahren der Ermittlungsdruck gegen Cannabisanbauer gestiegen." Wegen der "weicheren Drogengesetze" in dem Land blieb die Nachfrage allerdings hoch, und die "musste bedient werden". Zuerst seien die Hanfproduzenten deshalb nach Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen an die niederländische Grenze, ausgewichen. "Dort schossen die Anlagen wie Pilze aus dem Boden."

Vor fünf Jahren seien die Produzenten weiter nach Osten gegangen und so auch in Sachsen-Anhalt angekommen. Und es seien nicht nur "Hobbygärten" für den Eigenbedarf, in denen der rauscherzeugende Hanf wächst. "Auch professionell betriebene Anlagen sind keine Seltenheit mehr", so der Drogenfahnder. Bauanleitungen auch für Profianlagen gebe es im Internet. "Das ist nicht illegal", sagt der LKA-Mann. "Auch solche Anlagen zu bauen, ist nicht strafbar. Erst wenn man den ersten Samen in die Erde bringt, wird es ernst."

Diesen Schritt zu weit ist jüngst ein 42 Jahre alter Magdeburger gegangen. Er hatte in seiner Wohnung einen Raum zum Drogen-Gewächshaus umfunktioniert. Wie in Atzendorf mit sehr viel krimineller Liebe zum Detail - allerdings einige Nummern kleiner - produzierte der 42-Jährige Cannabis. 52 Hanfpflanzen wuchsen dort. Hinzu kamen einige Setzlinge für die Nachzucht. Die Anlage in Atzendorf war unterdessen sogar mit aufwendigen Heiz- und Belüftungssystemen ausgestattet.

Mehr als 100 000 Euro dürfte das Gewächshaus gekostet haben, sind sich die Ermittler sicher. Klocke: "Bei solch hohem Aufwand ist davon auszugehen, dass die Täter eine gewisse Organisiertheit haben - ohne gleich von organisierter Kriminalität zu sprechen." Kleinkriminelle seien schließlich kaum in der Lage, solche Summen auf den Tisch zu legen. Wer mit so viel Geld hantiere, habe nicht den 50-Gramm-Straßenverkauf im Blick, der produziere im Auftrag, so Klocke. Drei bis vier Ernten pro Jahr sind in professionell ausgestatteten Anlagen möglich. Bei einem Grammpreis von 3,50 bis 7,50 Euro ein lukratives Geschäft.

Ausschlaggebend für die Güte des Hanfs ist der sogenannte THC-Wert, der Wirkstoffanteil. "Durch genetische Veränderungen der Pflanzen gibt es heute schon Tetrahydrocannabinol-Anteile von 25 Prozent. Der durchschnittliche Wert liegt zwischen vier und zwölf Prozent", sagt Klocke. Cannabis von heute sei mit dem der Hippie-Generation in den 1960er Jahren überhaupt nicht mehr zu vergleichen. Selbst Freiland-Hanf in den typischen Anbauländern wie Marokko und Afghanistan habe heute oft niedrigere THC-Anteile als die Pflanzen aus Indoor-Anlagen.

Warum sich Hanfanbauer gern im Osten Deutschlands ansiedeln, erklärt Klocke mit einer Theorie: "Dort gibt es eine Menge brachliegende Industrie- und Landwirtschaftsobjekte, die ohne großes Aufsehen zu verursachen, umgerüstet werden können. Außerdem sind sie billig zu bekommen." Hinzu komme die EU-Osterweiterung. Eine gute Anbindung, zum Beispiel über die A 2 sei ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Oft sei es "Kommissar Zufall", der den Ermittlern helfe, berichtet Klocke. Typisches Beispiel ist die Entdeckung einer Anlage in dem Saalkreisort Teutschenthal Anfang November. Dort hatten Bewohner die Feuerwehr alarmiert, weil in einem Mehrfamilienhaus die Scheiben verrußt waren. Sie vermuteten, dass es dort brennt. Doch anstatt Flammen entdeckten die Feuerwehrmänner in dem Gebäude ein Gewächshaus für Cannabispflanzen, ausgestattet mit Bewässerungsanlage, ausgefeilter Beleuchtung und Lüftung. Rund 380 Pflanzen stellten Polizisten dort schließlich sicher.