"Wünschen uns Verständnis" "Wünschen uns Verständnis": Obdach für alle die sonst auf der Straße leben müssten

Frankleben - „Wir sind da für alle, die keine Lobby haben, für Menschen in einer schwierigen Lebenslage. Wir sind ein Notquartier und eine Selbsthilfegruppe“, so beschreibt Vorstandsmitglied Lothar Niederehe vom Franklebener Verein „Perspektive, Orientierung, Lebenshilfe, Integration“ (Poli) die Arbeit des ehrenamtlichen Teams. In der ehemaligen Poliklinik in dem Braunsbedraer Ortsteil, die dem Verein gehört, leben aktuell 14 Menschen, die sonst auf der Straße sitzen würden. Es ist eine Art Wohnheim mit Betreuung.
Den Bedürftigen wird ein möbliertes Zimmer geboten, das beheizt ist. Es gibt Duschen und Küchen. Supermärkte schenken ihnen Nahrungsmittel. Aus der Kleiderkammer, die es ebenfalls vor Ort gibt, können sich die Frauen und Männer Pullover und Hosen und was sie sonst noch brauchen nehmen. Bekleidung und manchmal auch Möbel sind Spenden. Aus den Mieten, die die Ämter zahlen, vom Verkauf von gesammeltem Schrott und dem Hausmeisterservice-Gewerbe bekommt der Verein Einnahmen.
„Wir haben immer alles mit eigenen Kräften gemacht“
Die steckt er in die Erhaltung des stark sanierungsbedürftigen Gebäudes. „Wir haben immer alles mit eigenen Kräften gemacht“, sagt Lothar Niederehe stolz bei einem Rundgang vor Ort.
Er hat den Verein, der aktuell ein Dutzend Mitglieder zählt, 2006 mitgegründet. Und schon vorher, Ende der 1990er Jahre, engagierte sich der heute 75-Jährige in dem Gebäude, als versucht wurde, auf dem 6.000 Quadratmeter großen Gelände mit dem großen Hof einen Jugendclub zu betreiben und in den Zimmern Herbergsräume einzurichten. Bis heute stehen sie auch Pilgern auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostella offen.
Alle leben von Hartz IV oder Altersrente
Der gebürtige Roßbacher und diplomierte Bauingenieur schätzt, dass seit der Vereinsgründung etwa 1.000 Menschen die Angebote von Poli nutzten. Weil sie sozial und finanziell am Ende sind und ihr Leben nicht mehr selbstständig gestalten können, weil sie nach der Zwangsräumung sonst auf der Straße stehen würden oder nach der Haftentlassung nicht wissen, wohin. Alle leben von Hartz IV oder Altersrente. Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit ist oft Ursache oder Begleiterscheinung ihrer widrigen Lebensumstände.
„Manche gehen nicht aufs Amt. Manche bleiben eine Nacht, andere jahrelang. Sie kommen tags wie nachts. Wir haben noch nie jemanden abgewiesen“, beschreibt das Vorstandsmitglied den täglichen Alltag. Die Mitglieder von Poli unterstützen die Mieter bei Kontakten zu Ämtern und Behörden, bei Antragstellungen oder bei der Schuldenregulierung, aber auch bei der Suche nach Arbeit oder einer Lehrstelle. Und da habe es schon mehrfach Erfolge gegeben, freut sich Lothar Niederehe.
Und wenn sich der Verein etwas wünschen könnte?
Aber natürlich ist es auch schon vorgekommen, dass Mieter verstarben. Dann bringt er seine Schützlinge am Ende noch würdig unter die Erde, wenn Staat oder Kirche sich nicht für zuständig erklären.
Und wenn sich der Verein etwas wünschen könnte? „Dann wären das Beachtung und Verständnis“, sagt er. „Wir brauchen ehrenamtliche Mitglieder. Es fehlt an Menschen, die einfach mal vorbeikommen und sich auf ein Gespräch einlassen. Und wir brauchen fachlichen Rat.“ Das könnten Studenten auf dem Weg zum Sozialarbeiter sein, die bei Poli ein Praktikum machen. Oder neue Kooperationspartner, die sich in die Vereinseinarbeit hineinversetzen können. (mz)