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Wegen Kritik in Ungnade gefallen? Wegen Kritik in Ungnade gefallen?: Teutschenthaler Bürgermeister wirft Kita-Kinder raus

Von Oliver Müller-Lorey 09.08.2017, 06:36
Janine Kölbel und Nadine Müller (v.l.) vor der Kita, in der ihre Söhne nicht mehr betreut werden durften.
Janine Kölbel und Nadine Müller (v.l.) vor der Kita, in der ihre Söhne nicht mehr betreut werden durften. Lutz Winkler

Teutschenthal - Ihr vierjähriger Sohn versteht noch nicht, was in dem Brief steht, den Janine Kölbel Ende Juli plötzlich in den Händen hielt. Wörter wie „Kündigung“, „Kindergarteneinrichtungsplatz“ und „Störung des Betriebsfriedens“ gehören nicht zum Wortschatz eines Vierjährigen.

Ihr Sohn weiß nur, dass er seitdem nicht mehr in seinen Kindergarten, die Kita „Kleine Riesen“ im Teutschenthaler Ortsteil Bahnhof gehen darf. Und das nur, vermutet Kölbel, weil sie bei Teutschenthals Bürgermeister Ralf Wunschinski (CDU) in Ungnade gefallen ist. „Der Betreuungsplatz meines Sohnes wurde gekündigt, weil wir die Gemeinde kritisiert haben“, sagt die 32-Jährige.

Dabei kündigte Wunschinski ihr und einer anderen Mutter, Nadine Müller, auch noch mit äußerst kurzer Frist: Der Brief stammt vom 27. Juli; nur vier Tage später endet bereits die Betreuung.

Kritik der Mütter: Kinder ohne Kindersitze und mit nicht genügend Betreuern gefahren

Seinen Ursprung nahm der Streit am 14. Juni, als die „Kleine Riesen“-Kinder zu einem Ausflug in den Nachbar-Ortsteil gefahren wurden. „Es kamen ein Kleintransporter und zwei Autos eines Taxiunternehmens. Allerdings ohne Kindersitze“, sagt Kölbel. Auch sei nicht in allen Autos ein Erzieher mitgefahren.

Auf Nachfrage bestätigt Ralf Wunschinski diesen Vorfall. Zwar sei ein Fachunternehmen durch die Kita beauftragt worden, aber: „Dieser Transport ist unglücklich gelaufen. Wir sind froh, dass nichts passiert ist“, sagt der Bürgermeister. Das Geschehen sei im Kindergarten erörtert und ausgewertet worden, damit sich so etwas nicht wiederhole.

Nach Kritik an der Gemeinde Teutschenthal: Drohungen gegen die Mütter statt Entschuldigung?

Nach dem Vorfall wandte sich Kölbel an die Elternsprecherin und Elternratsvorsitzende Nadine Müller. Sie versteht sich als eine Art Bindeglied zwischen Eltern, der Gemeinde und der Kita-Leitung. Die fehlenden Kindersitze und Betreuer auf dem Ausflug seien in mehreren Gesprächen mit der Kita-Leitung und Gemeindemitarbeitern erörtert worden, berichten die beiden Mütter. „Wir wollten eine Entschuldigung“, sagt Kölbel. Doch statt den Fehler einzugestehen, sei Druck auf sie aufgebaut worden, sagt die 32-Jährige.

So habe eine Gemeindemitarbeiterin ihr gesagt, der Vorfall solle nicht nach Außen getragen werden. Außerdem soll eine Erzieherin Müller nahegelegt haben, dass Kölbel ihren Betreuungsplatz verlieren werde, wenn sie „weitere Schritte“ einleiten würde.

Nadine Müller soll die Wiederwahl zur Elternratsvorsitzenden verboten worden sein

Eine Woche später seien die beiden dann unerwartet zum Gespräch mit Bürgermeister Wunschinski bestellt worden. Da hätten sie noch geglaubt, dass sich jemand bei ihnen entschuldigen wollen würde. Doch stattdessen habe Wunschinski den Eltern geraten, die Kita zu wechseln.

In der Zwischenzeit, klagt Müller, sei ihr auch noch ihre Aufstellung zur Wiederwahl als Elternratsvorsitzenden verboten worden. Ein paar Tage später der größte Schock: Den beiden Frauen wurde der Betreuungsplatz tatsächlich gekündigt.

Bürgermeister von Teutschenthal wirft den beiden Müttern Störung des Betriebsfriedens vor

Im Kündigungsschreiben liest sich all das naturgemäß etwas knapper: Wunschinski, der die Kündigung von Janine Kölbel eigenhändig unterschrieben hat, wirft ihr vor, „in den vergangenen Wochen intensiv zur Störung des Betriebsfriedens beigetragen“ zu haben.

Außerdem habe sie „mehrfach Themen immer wieder angesprochen und auch nach einem erfolgten klärenden Gespräch weiterhin diskutiert.“ Müller soll einen gleichlautenden Brief erhalten haben.

Auf MZ-Nachfrage will sich Wunschinski zu den Kündigungen nicht näher äußern und verweist auf den Datenschutz. Da die Gemeinde aber eine Betreuungspflicht habe, sei den beiden Familien angeboten worden, die Kinder in einer anderen Einrichtung betreuen zu lassen. „Hierzu wurde bis heute kein Versuch unternommen, mit der Gemeinde Kontakt aufzunehmen“, sagt der frühere Landtagsabgeordnete, der sich bei der Landtagswahl 2016 gegen seinen AfD-Konkurrenten geschlagen geben musste und vor knapp einem Jahr die Bürgermeisterwahl in Teutschenthal gewann.

Das könnte daran liegen, dass die beiden Mütter über einen Anwalt Widerspruch gegen die Kündigung eingelegt haben. Janine Kölbel will nicht hinnehmen, dass ihr Sohn seine Freunde zurücklassen muss. (mz)