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Spanier und Polen hinterm Lenkrad Spanier und Polen hinterm Lenkrad: Busse im Saalekreis suchen Fahrer

Von Michael Bertram 11.12.2018, 06:00
Auch in den kommenden zehn Jahren wird die PNVG im südlichen Saalekreis mehr als 30 Buslinien betreiben. Beim Äquivalent im Norden, dem OBS, sitzen aufgrund fehlenden Personals bereits Spanier, Italiener und Polen am Lenkrad.
Auch in den kommenden zehn Jahren wird die PNVG im südlichen Saalekreis mehr als 30 Buslinien betreiben. Beim Äquivalent im Norden, dem OBS, sitzen aufgrund fehlenden Personals bereits Spanier, Italiener und Polen am Lenkrad. Peter Wölk

Merseburg - Nicht die schwindende Akzeptanz des Diesels gefährdet die Zukunft des Öffentlichen Nahverkehrs im Saalekreis. Es sind auch nicht die hohen Kosten für Fahrten ins abgelegenste Dorf oder womöglich sinkende Fahrgastzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung. Nein, Fuhrunternehmen wie die Personennahverkehrsgesellschaft (PNVG) oder der Omnibusbetrieb Saalekreis (OBS) haben immer größere Schwierigkeiten, geeignete Fahrer zu finden.

Während bei OBS im nördlichen Kreisgebiet seit langem verstärkt auch auf ausländische Fahrer gesetzt wird, steht auch die PNVG im Süden unter Druck. Wie Geschäftsführer Lothar Riese sagte, sind inzwischen 65 Prozent der Fahrer über 55 Jahre alt. Nachwuchs zu finden, sei eine enorme Herausforderung. „Obwohl wir gute Löhne zahlen, wird das Hemd allmählich immer enger“, zeigte sich Riese etwas ratlos.

OBS: „Seit Jahren bemühen wir uns auch um Mitarbeiter aus ganz Europa, weil das deutsche Potenzial nicht ausreicht“

Am Arbeitskräfteproblem hänge die entscheidende Frage, ob das Angebot im Öffentlichen Nahverkehr künftig gehalten werden kann oder nicht, malte Wolfdietrich Vetter, OBS-Geschäftsführer, ein dramatisches Bild. „Seit Jahren bemühen wir uns auch um Mitarbeiter aus ganz Europa, weil das deutsche Potenzial nicht ausreicht“, erklärte er. Mittlerweile lenken auch Spanier, Italiener oder Polen die Busse seines Unternehmens über die Straßen.

Angesichts der Bedeutung des Nahverkehrs nimmt Vetter die Politik in die Pflicht: „Wir müssen reden, inwieweit Unternehmen wie wir beispielsweise Sprachkurse gefördert bekommen.“ Auch wird es künftig noch wichtiger, flexiblere Angebote zu machen. „Gerade um den Älteren auf dem Land gerecht zu werden, müssen wir nochmal über die Haustürbedienung sprechen“, sagte er. Die ist bislang nicht erlaubt. Es gilt das Haltestellenprinzip.

PNVG und OBS transportieren pro Jahr jeweils rund 4,5 Millionen Menschen

Welche Bedeutung die Busunternehmen für das Funktionieren des täglichen Lebens im Kreis haben, zeigt der Blick auf die nackten Zahlen: PNVG und OBS transportieren pro Jahr jeweils rund 4,5 Millionen Menschen. Darin eingeschlossen sind rund 500.000 Schülerbeförderungen. Vier Millionen sogenannter Fahrplankilometer schlagen jährlich zu Buche. Im Norden werden 31, im Süden noch einmal 32 Linien von den beiden Unternehmen bedient.

So soll es auch in den kommenden zehn Jahren sein. Denn am Freitag erhielten beide Unternehmen neue Konzessionen. Die neuen Verträge greifen ab Mai 2019, wie der stellvertretende Landrat, Hartmut Handschak erklärte. Für den Landkreis ist und bleibt der Öffentliche Nahverkehr auch künftig ein Zuschussgeschäft: 10,5 Millionen Euro lässt sich der Kreis dieses Angebot kosten. Allein im kommenden Jahr sind 500.000 Euro für Investitionen in die Flotte vorgesehen, um moderne Busse vorhalten zu können.

Dass PNVG bald vom Diesel abweicht, ist nicht zu erwarten

Dass die PNVG bald vom Diesel abweicht, ist nicht zu erwarten. „Euro 6 ist relativ sauber und modern“, sagt Riese. Und das werde auch so bleiben, solange nicht klar ist, was die Umstellung auf emissionsfreie Fahrzeuge kosten wird. „Dazu gehört nicht nur die Investition in neue Fahrzeuge und die notwendige Infrastruktur, mein Werkstattmeister dürfte an einem E-Bus ja gar nicht Hand anlegen, müsste erst dafür qualifiziert werden“, erklärte der PNVG-Chef. Riese glaubt ohnehin nicht daran, dass sich Busse mit Elektroantrieb durchsetzen. „Für mich ist Wasserstoff die beste Option.“

Der stellvertretende Landrat, Hartmut Handschak, hat derweil noch einen Wunsch mit Blick auf die Nutzer: Übersichtliche Tarife und bezahlbare Tickets. „Es bringt nichts, wenn die Fahrten zu teuer werden, bei 2 Euro für die Einzelfahrt ist da für mich eine Schallmauer erreicht“, sagte er. Wer die Stadtgrenze hinter sich lassen will, der kommt mit diesem Betrag allerdings schon lange nicht mehr weit. (mz)

Hartmut Handschak überreicht PNVG-Geschäftsführer Lothar Riese (r.) den neuen Dienstleistungsvertrag für den Nahverkehr im südlichen Saalekreis.
Hartmut Handschak überreicht PNVG-Geschäftsführer Lothar Riese (r.) den neuen Dienstleistungsvertrag für den Nahverkehr im südlichen Saalekreis.
Peter Wölk