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"Raus raus raus!" "Raus raus raus!": Siebenköpfige Familie schöpft nach Brand wieder Hoffnung

Von Michael Bertram 24.12.2019, 08:00
Angelika und René Koch stehen fassungslos vor dem Haus in Leuna. Infolge des Brandes im Nachbarhaus wurde ihr Zuhause zerstört.
Angelika und René Koch stehen fassungslos vor dem Haus in Leuna. Infolge des Brandes im Nachbarhaus wurde ihr Zuhause zerstört. Katrin Sieler

Leuna - „Es gab einen Knall und ein Rumpeln, dann sah ich schon, wie Rauch aus der Wand kam“, erinnert sich Angelika Koch an jenen Moment, der das Leben ihrer ganzen Familie auf den Kopf stellte.

Am Donnerstag vergangener Woche saß die Leunaerin kurz vor 7 Uhr mit ihrem sechsjährigen Sohn im Zimmer eines Reihenhauses, dessen Nachbarhaus plötzlich in Flammen stand. „Ich dachte erst, es wäre irgendwas mit den Leitungen, bin sofort los, um die Sicherungen auszuschalten“, erinnert sie sich an den Schreckmoment. Als der Qualm zunimmt, rennt sie auf die Straße und sieht schon das Feuer im Nachbarhaus.

„Ich rief nur noch raus, raus, raus zu den Kindern“

„Ich rief nur noch raus, raus, raus zu den Kindern, dann haben wir uns in Sicherheit gebracht“, erzählt Angelika Koch, die zum Zeitpunkt des verheerenden Brandes nicht nur den Sechsjährigen, sondern auch zwei drei und zwölf Jahre alte Töchter bei sich im Haus hatte.

Bei dem Feuer wurde ein 76 Jahre alter Mann in dem Haus, in dem der Brand am Morgen ausgebrochen war, so schwer verletzt, dass er zwei Tage später im Krankenhaus starb. Zwei weitere Personen, so hieß es im Polizeibericht, wurden infolge von Rauchgasvergiftungen behandelt. Eine davon war Angelika Koch. „Ich habe im entscheidenden Moment einfach funktioniert, später bin ich dann aber kollabiert, wie mir ein Polizist erklärte“, erzählt Koch. „Im Krankenhaus habe ich mich dann später selbst entlassen.“

Durch den Brand im Nachbarhaus wurde die Familie auf einen Schlag obdachlos

Durch den Brand im Nachbarhaus wurde die Familie auf einen Schlag obdachlos. Angelika Koch, ihr Mann und ihre fünf Kinder im Alter von drei bis 23 Jahren standen plötzlich vor dem Nichts. „Das Löschwasser hat alles zerstört, die Versicherung meint, dass wir 90 Prozent vom Hausrat wegschmeißen können“, erzählt Familienvater René. „Als die Feuerwehr zur Axt griff, um das Dach zu öffnen und das Wasser ins Haus eindrang, wusste ich, jetzt wird alles zerstört.“

Auch für die Kochs hätte der Brand fatal enden können. „Nur aufgrund einer Meinungsverschiedenheit, die wir an diesem Morgen hatten, ist meine Frau länger im Haus geblieben“, erzählt René Koch. Dadurch konnte sie die 12-jährige Tochter warnen und retten, die sich im Dachgeschoss des Hauses nochmals ins Bett verkrümelt hatte.

René Kochs Bruder ist Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr

Kurz nachdem das Feuer ausgebrochen war, hatten die Nachbarn auf der gegenüberliegenden Seite umgehend die Feuerwehr alarmiert. Sie waren es auch, die sich sofort um die Kinder kümmerten, damit sie den Brand nicht mitansehen müssen. Kurios: René Kochs Bruder ist Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr.

„Als er bei der Alarmierung Zimmererstraße hörte, musste er sofort an uns denken“, erzählt René Koch. Da eine falsche Hausnummer angegeben war, atmete er kurz auf, dann sah er aber, welche Häuser vor Ort betroffen waren. „Zusammen mit den anderen Einsatzkräften hat er alles gegeben“, sagen die Kochs, die sich bei der Feuerwehr bedanken.

„Es ist unglaublich, was nach dem Brand passiert ist“

Doch nicht nur den Einsatzkräften gebührt ihr Dank. „Es ist unglaublich, was nach dem Brand passiert ist“, sagt René Koch. Sein Bruder arbeitet beim Bauhof der Stadt. Über Kontakte konnte er bei der Leuwo in Bad Dürrenberg zwei auf einer Etage gegenüberliegende Wohnungen organisieren. Die Stadt Leuna stellte den Bruder der Familie an die Seite, um Möbel und andere Dinge zu organisieren.

„Das Unternehmen Zurek in Halle bot an, dass wir in deren Depot die nötigsten Möbel abholen können“, berichtete René Koch. In den Kindertagesstätten „Sonnenplatz“ und „Haus am Hügel“, in denen die jüngsten Kinder der Kochs betreut werden, lief eine riesige Spendenaktion an. „Wir können es kaum fassen, wie Möbel, Spielzeug und Kinderkleidung dort organisiert wurden“, sagt Angelika Koch, die für einen Moment wieder Lachen kann. Die Familie ist für den Zusammenhalt und die Solidarität, die sie schon kurz nach dem schrecklichen Brand erfahren hat, unendlich dankbar.

„Unser Ziel ist es, wieder in das Haus in der Zimmererstraße zu ziehen“

Aufgeben wollen die Kochs freilich nicht. „Unser Ziel ist es, wieder in das Haus in der Zimmererstraße zu ziehen“, sagt René Koch. Allein schon wegen der Kinder. „Die hängen an dem Haus mit kleinem Garten hintendran“, sagt seine Frau. Es wird Monate dauern, bis das Haus entrümpelt, getrocknet und saniert ist. Das sei es jedoch wert, meinen beide.

Die beiden kleinsten Kinder haben das Haus seit dem Brand noch nicht gesehen. „Wir wollen es ihnen auch gar nicht zeigen, es ist schwer genug für sie“, sagen ihre Eltern. Immerhin: Weihnachten findet bei den Kochs trotzdem statt. Eine Firma hat sogar einen Weihnachtsbaum gespendet. „Ein paar der Geschenke konnten wir ebenfalls retten, auch wenn sie komplett nass geworden sind“, sagt Angelika Koch. (mz)