Probewiegen vor Müllentsorgung Probewiegen vor Müllentsorgung: Das sind die Ergebnisse beim MZ-Windeltest

Raßnitz/Merseburg - Paul hat sein großes Geschäft erledigt. Nach dem Mittagsschlaf wird dem 17 Monate alten Jungen in der Kindertagesstätte „Kuschelbär“ in Raßnitz die volle Windel gewechselt. Die MZ ist zum Wiegen vor Ort. 207 Gramm zeigt die digitale Anzeige der Waage, unbenutzt bringt es so ein Vollschutz auf etwa 36 Gramm. Ist nur Pipi drin, macht es ungefähr 155 Gramm.
„Sechs- bis achtmal am Tag müssen Eltern die Windeln tauschen“, sagt Erzieherin Anke Ziolkowski. Die Fakten sind wichtig, schließlich wird in der Kreispolitik gerade darüber diskutiert, ob die Müllentsorgung familienfeindlich ist. Wer Kleinkinder hat, zahlt kräftig drauf, meint der Teutschenthaler Bürgermeister Ralf Wunschinski.
Restmüll aus der schwarzen Tonne
Ab 1. Januar 2017 wird der Restmüll aus der schwarzen Tonne, dort landen auch die Windeln, im gesamten Saalekreis gewogen, bevor er abtransportiert wird (ist im Südkreis schon seit 1997 so). Wer Müll vermeidet, spart Geld. Sechs Leerungen im Jahr sind in der Grundgebühr inklusive. Pro Kilogramm Restmüll werden aber immer 18 Cent fällig. Im Alt-Saalkreis fürchten Einwohner sowie Kreistagsmitglieder dadurch erhebliche Nachteile für die Bürger, unter anderem für Familien mit mehreren Kindern.
Der MZ-Windel-Test hat nun in der Hochrechnung ergeben, dass die Eltern von Babys und Kleinkindern bis zu 100 Euro im Jahr pro Steppke extra zahlen, wenn alle Windeln tatsächlich in der heimischen Tonne landen. Eine stolze Summe. Nach Angaben des statistischen Landesamtes im Jahrbuch von 2015 leben im Saalekreis 4.250 Kinder im Alter zwischen null und drei Jahren.
Eltern bei der Müllentsorgung benachteiligt
„In unserer Einrichtung sind die Mädchen und Jungen im Durchschnitt nach rund zweieinhalb Jahren sauber“, sagt Petra Burg, die Chefin im Raßnitzer Kuschelbär. Dort werden derzeit 21 Krippenkinder betreut. Über die Frage, ob Eltern bei der Müllentsorgung benachteiligt werden, habe sie noch nie nachgedacht. „Aber wer sein Kind bei uns betreuen lässt, spart demzufolge Geld. Volle Windeln, die in der Kita anfallen, werden nämlich auf Kosten der Gemeinde entsorgt“, meint sie.
In sozialen Netzwerken sorgt die Debatte für lustige Kommentare aber auch Kopfschütteln. Christof Rupf (Grüne), Vorsitzender des Umweltausschusses im Saalekreis, war schon auf der Kreistagssitzung am Dienstagabend in der aufkeimenden Windeldebatte mit Wunschinski aneinandergeraten. Am Mittwoch legte er nach. „Ohne Gewichtsgebühr müsste der Kreis nach den Zahlen der Abfallbehörde von jedem Bürger zehn Euro mehr für die pauschale Entsorgung erheben, insgesamt 1,77 Millionen Euro pro Jahr“, erklärte Rupf. Wer niedrigere Gebühren wolle, müsse an der Kostenseite arbeiten.
Windel-Vorstoß aus Teutschenthal
Volker Huth, Geschäftsführer der neuen kommunalen Entsorgungsgesellschaft EGS, reagiert verwundert auf den Windel-Vorstoß aus Teutschenthal. „Solange ich hier in Merseburg arbeite, hat sich noch nie jemand darüber beschwert, dass Windeln zu schwer und damit zu teuer sind. Und hier wird seit 20 Jahren der Müll nach Gewicht abgerechnet.“ Die Kreisverwaltung wiederum hält die Neuregelung ab Januar sehr wohl für familienfreundlich. Durch die degressive Grundgebühr würden Familien automatisch entlastet. Außerdem sollen Gebühren und die Entsorgung selbst im Rhythmus von zwei Jahren regelmäßig überprüft werden. „Da ist nichts in Stein gemeißelt“, sagt Geschäftsführer Huth.
Eine Stoffwindel als Mehrweglösung für kostenbewusste Eltern hält Petra Burg aus Raßnitz indes nicht für praktikabel. „Das kostet doch auch Waschpulver, Wasser und Abwasser. Und Zeit. Aus meiner Sicht bringt das nichts.“ (mz)
