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Obergäriges Bier aus dem Saalekreis Obergäriges Bier aus dem Saalekreis: Der Siegeszug der Gose begann in Döllnitz

Von Michael Bertram 30.11.2018, 13:06
Die Gose trat von Döllnitz aus ihren Siegeszug an. Auch unter Soldaten war das seit 1824 im Ort gebraute Bier sehr beliebt.
Die Gose trat von Döllnitz aus ihren Siegeszug an. Auch unter Soldaten war das seit 1824 im Ort gebraute Bier sehr beliebt. Repro/Peter Wölk

Döllnitz - Seine große Industriegeschichte kann man dem beschaulichen Örtchen Döllnitz an der Weißen Elster heute kaum mehr ansehen. Dabei wurde in dem heutigen Schkopauer Ortsteils vor fast 200 Jahren ein Stück Geschichte geschrieben: Ein Brauknecht namens Philipp Ledermann kam 1824 in die Gegend. Im Gepäck hatte er das Rezept für ein neues obergäriges Bier, das nach dem Flüsschen seiner Heimatstadt Goslar, der Gose, benannt wurde.

„Durch eine glückliche Fügung kam er nach Döllnitz, wo der Braumeister des Ritterguts, auf dem schon vor 1665 Bier gebraut wurde, gestorben war“, erzählt Döllnitz’ Ortschronist Bernd Sinang. Johann Gottlieb Goedecke, ein hallescher Kaufmann und Besitzer des Gutes, beschloss, der Gose eine Chance zu geben. Mit ihrem Siegeszug, der bis nach Leipzig reichen sollte, hatte aber auch er wohl kaum gerechnet.

Gose Bier: Für Döllnitz bedeutete der Erfolg des Bieres den Durchbruch für eine ganz besondere Brautradition

Für Döllnitz bedeutete der Erfolg des Bieres den Durchbruch für eine ganz besondere Brautradition: „Im Laufe der Zeit etablierten sich vor Ort vier Brauereien, die zum Teil eigene Ausschänke betrieben“, erzählt Bernd Sinang. „Zudem wurde die Gose bis nach Leipzig und Halle vertrieben“, ergänzt er stolz. Das neuartige Bier war günstig herzustellen. Die Zutaten wuchsen auf den Feldern rund um Döllnitz. Die für die Beheizung der Braupfannen benötigte Kohle soll in einem eigenen Schacht gefördert worden seien.

Zugute kam den Döllnitzern offenbar auch, dass die Brau-Sozietät in Goslar 1826 beschloss, keine Gose mehr zu brauchen und Döllnitz damit ein Alleinstellungsmerkmal besaß. Die Gose setzte ihren Siegeszug in ganz Mitteldeutschland fort.

Gose Bier: 1880 gründete August Müller in der Elsterstraße in Döllnitz eine Brauerei

Auch andere wollten vom wirtschaftlichen Erfolg der Gose profitieren. 1880 gründete August Müller in der Elsterstraße in Döllnitz eine Brauerei, die danach mehrfach den Besitzer wechselte - und unter Franz Hanisch schließlich in den Vereinigten Brauereien „Germania“ aufging, zu der auch die 1899 eröffnete Brauerei Hädicke gehörte. Mit der Brauerei Hanisch und Co. kam in der Halleschen Straße 1911 eine weitere Produktionsstätte hinzu. Auch während des Ersten Weltkriegs wurde in Döllnitz Gose gebraut.

Für „Germania“ kam allerdings kurz nach Kriegsende das Aus. Die Produktion wurde auf Kartoffelflocken umgestellt. 1945 schloss das Werk komplett. „Auch im Rittergut endete nach dem Krieg die Tradition, man musste sich in den Notzeiten eben um andere Dinge kümmern als um Bier“, erklärt Sinang. Einzig der Standort Hallesche Straße hatte Bestand, aber auch nur bis 1968. Seit Kriegsende wurde hier unter anderem durch den Konsumgenossenschaftsverband jedoch nicht mehr Bier produziert, sondern Mineralwasser und Limonaden.

Gose Bier: Goseflaschen aus der Nachkriegszeit

Chronist Sinang hat ganze Leitz-Ordner mit Material zu den Brauereien gesammelt. Einer der größten Schätze sind allerdings alte Goseflaschen aus der Nachkriegszeit, die in einem Keller schlummern. Noch ohne Etikett, stattdessen mit Prägung auf dem Glas, dokumentieren sie ein Stück - oder besser gesagt Schluck - Industriegeschichte, die viele längst vergessen haben. (mz)

Die Belieferung mit Pferdewagen war typisch im Ort.
Die Belieferung mit Pferdewagen war typisch im Ort.
Repro/Peter Wölk
Flaschen aus der Nachkriegszeit
Flaschen aus der Nachkriegszeit
Repro/Peter Wölk
Verkostung der Gose in Döllnitz
Verkostung der Gose in Döllnitz
Repro/Peter Wölk
Eine Ansicht der alten Brauerei in Döllnitz.
Eine Ansicht der alten Brauerei in Döllnitz.
Repro/Peter Wölk