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Schkopau Naherholung in Raßnitz: Schkopau will Tagebaulöcher in Seen verwandeln

Von Dirk Skrzypczak 20.02.2017, 11:03
Eine Landschaft wie auf dem Mond: 117 Millionen Kubikmeter Abraum wurden im Tagebau „Merseburg-Ost“ bewegt.
Eine Landschaft wie auf dem Mond: 117 Millionen Kubikmeter Abraum wurden im Tagebau „Merseburg-Ost“ bewegt. Kurt Güttel

Raßnitz - Vom hölzernen Aussichtspunkt hat man aus zwölf Metern Höhe einen guten Blick auf den Raßnitzer See. Die Idylle ist perfekt. Unten, im Matsch der aufgeweichten Wege, stapfen Besucher über provisorische Stege.

Zwei Vereine aus dem Ort haben zum Wintergrillen an das Seeufer eingeladen und wollen Geld für den Verein Kinderhospiz Mitteldeutschland sammeln. Alexander Döbold, der sich ebenfalls sozial engagiert, ist nach oben auf den Turm gestiegen. „Das ist faszinierend, Erholung pur. Wenn doch nur die vielen Touristen nicht wären, die ihren Müll einfach wegschmeißen. Im Sommer geht das wieder los“, sagt der 44-Jährige.

Badegäste zieht es an Raßnitzer und Wallendorfer See - obwohl deren Nutzung offiziell noch gar nicht erlaubt ist

Dann zieht es viele Badegäste an den Raßnitzer und den benachbarten Wallendorfer See, zwei Tagebaurestlöcher, die für die Naherholung eigentlich noch nicht genutzt werden dürften, da sie unter anderem noch dem Bergrecht unterliegen. „Die Realität hat uns längst überholt“, erzählt Schkopaus Bürgermeister Andrej Haufe (CDU).

Dabei seien die ersten Konzepte doch schon fertig, könne das Umweltamt des Landkreises das Papier für die Allgemeinverfügung zur Nutzung der Gewässer aus der Schublade ziehen.

Allerdings fehlt dafür noch der Planfeststellungsbeschluss durch das Landesverwaltungsamt. 2009 hatte das Verfahren begonnen, am 31. Dezember 2016 sollte es abgeschlossen sein. „Einfach gesagt, stellt die Behörde fest, dass aus den Restlöchern nun Seen geworden sind. Dieser Beschluss soll nun am 31. Mai dieses Jahres vorliegen. In Halle hatte man wohl den Aufwand mit der Bearbeitung der zahlreichen Einwendungen unterschätzt“, sagt der Bürgermeister.

Schkopau setzt auf naturnahe Entwicklung der Seen.

Schkopau spricht von einer sanften und naturnahen Entwicklung. Eine Marina wie in Mücheln wird es nicht geben. „Wir setzen auf die Symbiose zwischen Mensch und Natur“, sagt der ehemalige Raßnitzer Ortsbürgermeister und Gemeinderat Andreas Marx.

Man wolle weder dem Geiseltalsee noch dem Leipziger Neuseenland Konkurrenz machen. Für den Raßnitzer See, der zum Teil dem Naturschutzbund Nabu gehört, ist eine kleine Badestelle vorgesehen.

Auch soll das Surfen bis zur Seemitte gestattet werden - dort wird dann eine Bojenkette die Naturschutzzone abtrennen.

Mehr los ist künftig am Wallendorfer See, der offizielle Badestellen in Burgliebenau (mit Toilettenhäuschen), Luppenau und Wallendorf bekommt. Surfer dürfen hier ebenso auf das Wasser wie Boote mit Elektromotor oder Ruderer. Zudem sollen die Wege um beide Seen vernünftig gestaltet werden.

Erinnerungen an den „Tagebau Merseburg-Ost“: Wäre die Mauer nicht gefallen, würde es Teile von Raßnitz und Ermlitz heute wohl nicht mehr geben

Doch dafür benötigt Schkopau Fördermittel. Die Uferlinie am Wallendorfer See beträgt 9,4 Kilometer, am benachbarten „Raßnitzer“ sind es 1,2 Kilometer mehr. „Die Wege sind eine Zumutung. Ständig höre ich die Klagen unserer Gäste“, sagt Hans-Joachim Pomian, Ortsbürgermeister in Wallendorf und Betreiber einer Gaststätte.

25 Jahre hatte Pomian als Funk- und Nachrichtentechniker im „Tagebau Merseburg-Ost“ gearbeitet. Zwischen 1973 und 1991 waren hier 116 Millionen Tonnen Braunkohle, 14 Millionen Tonnen Kies und eine Million Tonnen Ton abgebaut worden. Weitere 220 Millionen Tonnen Kohle sollen noch in der Erde liegen.

117 Millionen Kubikmeter Abraum wurden im Tagebau „Merseburg-Ost“ bewegt. Anfangs gehörte er zum Braunkohlenwerk Ammendorf, in dem 3.000 Beschäftigte arbeiteten. Später übernahm das Kombinat Geiseltal die Regie. Die bei Wallendorf und Raßnitz geförderte Braunkohle war zu salzhaltig für eine industrielle Verwertung. Deshalb wurde die Kohle zu Hausbriketts verarbeitet.

Wäre die Mauer nicht gefallen, würde es Teile von Raßnitz und Ermlitz heute wohl nicht mehr geben. Der bereits verstorbene Hubert Albrecht, Chef des 2010 aufgelösten Zweckverbandes Saale-Elster-Luppe-Aue, hatte die Fakten zum Tagebau Merseburg-Ost zusammengetragen.

„Ganz klar, für uns Einheimische ist die Flutung der Restlöcher ein Vorteil gewesen. Unsere Lebensqualität hat sich deutlich verbessert“, sagt Alexander Döbold vom Freundeskreis der Jägerhütte. Als Kind habe es ihn mit Freunden immer wieder in den Tagebau gezogen. „An das Klappern der Förderbänder, das Rasseln der Ketten und das Quietschen der Züge hatte man sich natürlich gewöhnt.“ Und fegte der Sturm in den Tagebau, peitschten die Windböen Dreck und Kohlenstaub gegen die Häuser.

26 Jahre später bleiben nur noch die Erinnerungen an den Bergbau. Die Idylle am See lässt aber auch sie zunehmend verblassen. (mz)

Andreas Marx (links) und Alexander Döbold genießen den Blick vom Aussichtssturm in Raßnitz auf den See und die Uferlandschaft.
Andreas Marx (links) und Alexander Döbold genießen den Blick vom Aussichtssturm in Raßnitz auf den See und die Uferlandschaft.
Peter Wölk