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"Was ist links was rechts?"  Kabarettist Uwe Steime im Interview: "Was ist links was rechts?"

31.08.2018, 10:09
Kabarettist Uwe Steimle gastiert am Freitag in Leuna.
Kabarettist Uwe Steimle gastiert am Freitag in Leuna. dpa

Leuna - Über eine halbe Million Zuschauer sahen am Sonntag die jüngste Folge der Dokureihe „Steimles Welt“. So viele werden es am Freitag nicht sein, wenn Namensgeber Uwe Steimle mit der gleichnamigen Show im Kulturhaus Leuna gastiert. Im Gespräch mit MZ-Redakteur Robert Briest erklärt der Dresdener Kabarettist, was ihn am Alltagsleben der Region interessiert - und er verteidigt sein umstrittenes Interview mit der „Jungen Freiheit“.

Sie haben einen persönlichen Bezug zu Leuna. Welchen?

Uwe Steimle: Ich war 1984 bei der Armee im Pionierbaubataillon 12, bin ausgebildet als Sprengpionier. Als solche waren wir erst eingesetzt und dann in der Volkswirtschaft. Ich habe in Leuna gearbeitet und kenne das riesige Kulturhaus sehr gut. Mir ist auch Merseburg eine sehr liebe Stadt. Ich war dort immer beim Optiker, damit ich rauskam aus dem Irrsinn Armee.

Nun kehren Sie mit „Steimles Welt“ zurück. Für die TV-Show besuchen Sie Künstler, Handwerksbetriebe. Wie setzen Sie das auf der Bühne um?

Viele Dinge, die wir unterwegs erlebt haben, konnten wir gar nicht einfangen. Wir erzählen jetzt die Geschichten zu den Geschichten. Auf der Bühne können wir ausprobieren, ob das, was wir im Fernsehen zeigen, auch tatsächlich bei den Leuten ankommt. Wir sind immer sehr berührt, wenn die Leute mitsingen. Es ist ein interaktiver Abend.

„Steimles Welt“ im Fernsehen scheint eine recht heile zu sein. Ist das ein geschöntes Abbild von Mitteldeutschland?

Nein. Wir zeigen die Welt, so wie sie ist. Vielleicht schauen die Menschen das, weil es gerade nicht heile Welt ist. Aber sie finden sich wieder. Es ist für uns berührend, wenn die Menschen nicht vor der Kamera weichen, sondern sich öffnen. Sie erzählen von der Leber weg.

Das ist eine große Errungenschaft und auch mutig vom Sender, das zuzulassen, denn es ist ein Abbild der Wirklichkeit. Wir wollen natürlich am Sonntagabend in erster Linie unterhalten, aber mit Haltung.

Es ist ja trotzdem eine Form von Biedermeier. Beim MDR nichts Ungewöhnliches, aber was fasziniert sie als Kabarettist, der sich oft auch mit der großen Politik befasst, daran?

Das eine schließt das andere nicht aus. Es ist schön, wenn man Kabarettist ist, aber auch Biedermeier beherrscht. Manchmal bin ich auch Schauspieler oder schreibe Bücher. Das ist eine Mehrfachbegabung. Ich sehe mich als Seismograf unserer Zeit. Mich interessieren die kleinen Geschichten, die scheinbar belanglos sind.

90 Prozent des Lebens sind Alltag. Für die anderthalb Stunden Sendung sind wir immer zehn Tage jeweils sieben, acht Stunden unterwegs. Wenn diese verdichtete Form des Alltags eine halbe Million Menschen gucken, können wir nicht so viel verkehrt gemacht haben.

Als Kabarettist mimen sie gern die Rolle des Günther Zieschong, einen Sachsen mit Arbeitsjacke und Hut. Sie haben schon ein Faible für die Sicht des „kleinen Mannes“?

Ich empfinde mich als der größte Kleinbürger überhaupt. Ich liebe Kleinbürger.

In den Querelen mit dem MDR geht es auch um ein Interview, das sie der rechten Tageszeitung „Junge Freiheit“ gegeben haben. Wissen Sie schon, ob die Sendung fortgesetzt wird?

Nein. Das entscheidet der MDR. Für mich ist die „Junge Freiheit“ aber kein rechtes Blatt. Was ist links, was rechts? Rechts ist, wo der Daumen links ist. In diesen Zeiten ist doch alles irre. Letztlich ist jeder an seinen Taten zu messen und nicht an dem, was er vor sich herträgt.

Ich empfinde mich dennoch als Linker. Denn die Linkspartei ist für mich – bei allen Querelen – die einzige Partei, die konsequent für den Frieden kämpft. Ich empfinde in unserem Land zunehmend Gesinnungsüberprüfungen: wer was wie denkt.

Ich komme aus der DDR, habe da erlebt, was passiert, wenn man die Leute einschüchtert und versucht, mundtot zu machen. Ich wünsche mir, dass das hier in der Demokratie nicht wieder passiert. Davor habe ich Angst. Man kann immer nur versuchen, Brücken zu bauen und nicht abzubrechen und zu sagen: Mit euch rede ich nicht. Das versuche ich auch als Kabarettist. Deswegen habe ich das Interview in der „Jungen Freiheit“ gegeben.

Ein Begriff der auch dort häufig fällt, ist „Heimat“. Was bedeutet der für Sie?

Ich zitiere Tucholsky: „Was auch immer mit diesem Deutschland passiert. Es bleibt doch unsere Heimat.“ Heimat ist für mich Verwurzlung in dem Ort, in dem ich großgeworden bin. Jeder Mensch auf der Welt sollte einen Ort haben, wo er Wurzeln schlagen kann. Deswegen ist der Begriff „Heimat“ für mich ein ganz besonderer und den lass ich mir von niemanden wegnehmen.

Er ist jedoch zu einem politischen Kampfbegriff geworden.

Ganz schlimm. Deswegen habe ich gerade Kurt Tucholsky zitiert. Simone Weil, eine jüdische Soziologin, hat in einem wunderschönen Satz „Heimat“ etwas anders ausgedrückt: „Entwurzelung ist die gefährlichste Krankheit der menschlichen Gesellschaft. Wer entwurzelt ist, entwurzelt. Wer verwurzelt ist, entwurzelt nicht. So gesehen ist die Verwurzlung das wichtigste und am meisten verkannte Bedürfnis der menschlichen Seele.

››Steimles Welt, cCe Leuna, Spergauer Straße 41A, Freitag 19.30 Uhr, Tickets ab 31,50 Euro. (mz)