Personal falsch abgerechnet Abrechnungsbetrug im Saalekreis: Pflegten zwei Pflegedienst-Chefs ihre eigenen Kassen?

Halle (Saale)/Querfurt - Viele Tätigkeiten in der Pflege, vor allem in der Intensivpflege, müssen laut Gesetz von ausgebildeten Fachkräften erledigt werden, von Krankenschwestern oder Altenpflegern etwa. Schließlich soll im Umgang mit Menschen auch die Qualität der Arbeit stimmen. Vor dem Landgericht Halle müssen sich nun jedoch ein Querfurter und eine Frankleberin verantworten, weil sie bei ihren Pflegediensten nichtqualifizierte Mitarbeiter Leistungen erbringen ließen, die sie dann bei den Kassen jedoch so abrechneten, als wären sie von Fachkräften verrichtet worden.
So lautet zumindest der Vorwurf der Staatsanwältin. Die unterstellt den beiden Abrechnungsbetrug.
Gschäftsführer im Pflegedienst vor Gericht: Es geht um 64 Betrugsfälle
Für den Prozess fasste das Gericht zwei Klagen zusammen. Die waren zustande gekommen, weil sich das Geschäftsverhältnis der beiden im möglichen Tatzeitraum verändert hat. Der Angeklagte führte die Geschäfte eines in Merseburg und Teuchern (Burgenlandkreis) ansässigen Pflegedienstes. Von 2009 bis Mitte 2013 war die heute 47-Jährige bei ihm als Pflegedienstleiterin beschäftigt.
In den letzten zweieinhalb Jahren der Zusammenarbeit soll es laut Staatsanwaltschaft zu 64 Abrechnungsbetrügen zum Nachteil von drei Kassen gekommen sein.
Pflegeleistungen falsch abgerechnet - auch dank gefälschter Unterschriften?
Um zu verschleiern, dass die abgerechneten Leistungen nicht vom vorgeschriebenen Fachpersonal erledigt wurden, sollen sie dieses angehalten haben, für Arbeiten ihrer formal nicht qualifizierten Kollegen zu unterschreiben. Nicht qualifiziert seien etwa eine Heilerzieherin und eine ungarische Krankenschwester, deren Abschluss erst später in Deutschland anerkannt wurde, gewesen. Teilweise hätten sie auch Unterschriften gefälscht, so die Staatsanwältin.
2013 gründete die bisherige Pflegedienstleiterin dann ihre eigene ambulante Pflege in Merseburg. Als deren Geschäftsführerin übernahm sie Teile des Personals und der Patienten ihres bisherigen Arbeitgebers. Der beauftragte laut Anklage ihr neues Unternehmen wiederum mit der Betreuung einer intensivpflegebedürftigen Frau – ohne dass der neue Pflegedienst die nötige Zulassung dafür hatte und ohne die Kasse zu informieren. Die hätte sonst nicht gezahlt, zeigte sich die Staatsanwältin sicher.
Staatsanwaltschaft geht von 140.000 Euro Schaden aus
Sie warf den Angeklagten vor, dass sie sich durch die Taten ein „nicht unerhebliches Einkommen“ verschaffen wollten. Wie hoch der entstandene Schaden ist, sei jedoch schwer zu ermitteln, räumte die Vorsitzende Richterin ein, denn es sei ja nicht so, dass die Leistungen gar nicht erbracht worden seien. Die Staatsanwaltschaft nannte etwas über 140.000 Euro, die so nicht hätten abgerechnet werden dürfen.
Entsprechende Rückforderungen der Kassen könnten noch auf die Angeklagten zukommen. Die erhielten am Mittwoch schon mal einen Ausblick auf das mögliche Strafmaß: Bei einem Geständnis würde sich das bei der 47-Jährigen wohl im Bereich von einem Jahr auf Bewährung bewegen. Ein Angebot, dem ihr Verteidiger Hartmut Lasse zustimmte.
Gegen 41-Jährigen laufen noch weitere Verfahren
Auch ihr ehemaliger Chef, bei dem noch eine 2017 verhängte Geldstrafe wegen Urkundenfälschung und Betruges eingerechnet werden muss und gegen den noch zwei weitere Verfahren wegen Unregelmäßigkeiten im Zuge der Insolvenz seines Pflegedienstes laufen, könnte noch eine Strafe auf Bewährung erhalten. Er ließ sich die Entscheidung, ob er das Angebot des Gerichts annimmt, allerdings noch offen. Ohnehin zeigte sich der 41-Jährige wenig kooperativ, mochte zum Auftakt nicht einmal seine Personalien bestätigen.
Das Gericht hat ein Interesse an einer Verständigung und Geständnissen, weil ihm ansonsten eine monatelange Beweisaufnahme ins Haus stünde, bei der unter anderem knapp 40 frühere Mitarbeiter der Pflegedienste gehört werden müssten. (mz)