1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Risse im Bauch: Risse im Bauch: Sanierung der Autobahnbrücke bei Hohenwarthe

Risse im Bauch Risse im Bauch: Sanierung der Autobahnbrücke bei Hohenwarthe

Von Julius Lukas 15.11.2014, 10:04
Dietmar Serp von der Firma Stahlbau Nordhausen muss die Rissstellen vorwärmen, bevor er schweißen kann.
Dietmar Serp von der Firma Stahlbau Nordhausen muss die Rissstellen vorwärmen, bevor er schweißen kann. Andreas Stedtler Lizenz

Hohenwarthe - Der kleine Riss auf Querträger 39 ist kaum zu erkennen. Anke Hawemann muss mit ihrer Taschenlampe kurz den Stahlpfeiler absuchen. Sie steht im Bauch der Autobahnbrücke, die auf der A?2 nördlich von Magdeburg die Elbe überquert. Im sogenannten Hohlkasten, der unterhalb der Fahrbahn angebracht ist, sieht es aus wie in einem Tunnel. Die Decke hängt tief, das Ende kann man nur erahnen. Auf der linken und der rechten Seite erheben sich Stahlpfeiler, die die Last der Bahn aufnehmen. 77 Stück sind es von Anfang bis zum Ende des 330 Meter langen Kastens. Das Dunkel des Raums erhellen nur ein paar Leuchtröhren und Baustrahler - und die Taschenlampe von Hawemann.

Mit der Sanierung der A-2-Brücke, die nahe Magdeburg über die Elbe führt, ist nicht nur eine neue Dauer-Baustelle in Sachsen-Anhalt entstanden, sondern auch eine Dauer-Staustelle und ein Unfallschwerpunkt. Immer wieder stoßen dort in den Staus Fahrzeuge zusammen. Bei den Unfällen hat es mittlerweile einige Verletzte gegeben, meist allerdings entsteht lediglich Blechschaden. Für Christoph Krelle sind die Zusammenstöße in den Staus nur schwer zu vermeiden. „Staus und besonders deren Enden sind immer gefährlich“, sagt der Autobahn-Verantwortliche der Landesstraßenbaubehörde. „Wir haben von Beginn an ein Stauwarnsystem eingerichtet, aber leider reicht das nicht.“

Eine Möglichkeit, den Dauerstau zu verhindern oder zu mindern, sieht Krelle indes nicht. Eine offizielle Umleitung sei unmöglich. „Es gibt lediglich Empfehlungen.“ Wer beispielsweise an den Niederrhein oder ins Ruhrgebiet will, der sollte die A 9 und A 38 benutzen. Anfängliche Pläne, schon am Berliner Ring vor der Baustelle zu warnen, wurden verworfen. „Wo sollten wir die Fahrzeuge hinschicken“, fragt Krelle. „Würde man die A 9 runter, und dann die A 14 wieder hochfahren, wäre man weitaus länger unterwegs, als mit den derzeitigen Wartezeiten.“ Die Staus seien bis jetzt maximal zehn Kilometer lang gewesen, die Verzögerung betrage weniger als eine Stunde. „Das ist noch vertretbar.“

Das Fehlen einer öffentlichen Umleitung bedeutet jedoch nicht, dass Autos und Lastwagen nicht Ersatzrouten nutzen. Vor allem in Magdeburg verschärfen die zusätzlichen Fahrzeuge die ohnehin angespannte Verkehrssituation. Derzeit wird in der Stadt an mehr als 20 Stellen gebaut.

„Da ist er“, sagt sie nach einigen Sekunden. Im Licht erkennt man auf einer Schweißnaht einen feinen Haarriss, der nach ungefähr fünf Zentimetern unter der blauen Korrosionsschutzfarbe verschwindet. „Davon haben wir hier viele entdeckt“, sagt Hawemann. Sie leitet bei der Landesstraßenbaubehörde die Fachgruppe Brücken. Die Elbe-Überquerung in der Nähe des kleinen Örtchens Hohenwarte bei Magdeburg ist derzeit ihr wichtigstes Projekt. Sie besteht aus zwei Teilen. Einer nördlichen Brücke, auf der der Verkehr in Richtung Hannover rollt, und einer südlichen, die in Richtung Berlin führt.

Großer Unmut

Derzeit kann nur die südliche befahren werden, weil in der nördlichen gearbeitet wird.

Zu sehen ist an der wichtigen Ost-West-Trasse davon nichts, nur ein Schild weist auf die Sanierung im Innern der Brücke hin - damit sich der Unmut über die Einschränkungen nicht noch vergrößert. Denn der ist ohnehin schon groß. Normalerweise gibt es je Richtung drei Fahrspuren. Derzeit ist es lediglich eine, auf der auch nur mit stark gedrosselter Geschwindigkeit gefahren werden darf. 60 Kilometer pro Stunde sind erlaubt. Auf der A?2, die als meistbefahrene Autobahn Deutschlands gilt, führt das jeden Tag zu kilometerlangen Staus und Unfällen. Für Hawemann sind die Maßnahmen aber unausweichlich. „Wir können derzeit nur eine geringe Belastung erlauben“, sagt sie.

Über die Untersuchung der Brücke im September lesen Sie auf Seite 2.

Die Kratzer in der Stahlkonstruktion wurden im September bei einer Routinekontrolle entdeckt. Damals wurden allein an der Fahrbahn in Richtung Hannover 59 Risse gezählt. Bei den folgenden Untersuchungen seien noch etliche hinzugekommen, sagt Hawemann. Für eine erst 17 Jahre alte Brücke ist das eine ungewöhnlich hohe Zahl. Doch mit Aussagen zu den Ursachen hält sich die Frau von der Straßenbaubehörde zurück. „Wir nehmen Materialproben und überprüfen die früheren Berechnungen“, sagt sie. Aber eine abschließende Beurteilung sei noch nicht möglich. Zuerst stehe die Sanierung im Vordergrund.

Riesige Stahlbleche

Die wird von Schachtbau Nordhausen durchgeführt. Für das Thüringer Traditionsunternehmen arbeitet Matthias Apel. Als Bauleiter kennt er die Charakteristik der Schäden: „Die Risse treten vor allem an Verbindungspunkten der Metallkonstruktion auf.“ Das Stahlgerüst hält die Fahrbahn. Sie besteht aus einer Asphaltdecke und einer Betonbahn und ruht auf Lamellen. „Die muss man sich wie riesige Stahlbleche vorstellen“, sagt Apel. Je höher die Belastung ist, desto mehr Lamellen sind übereinander geschichtet. Die Bleche sind untereinander und mit den 77?Querträgern verschweißt. Und genau an diesen Stellen sind die Risse entstanden. Manche sind sehr kurz, insbesondere zwischen den Lamellen aber können sie 50?Zentimeter und länger sein.

Nach und nach wird derzeit jede der Stellen ausgebessert. Wie das funktioniert, erklärt Apel an Querträger 41. Ein Riss ist dort nicht mehr zu sehen - dafür eine tiefe Furche. „Zuerst muss die Schutzschicht ab.“ Erst durch den Blick unter die blaue Farbdecke wird dann ersichtlich, wie groß der Kratzer wirklich ist. Nach dem Abschleifen kommt das Ausfugen. Material wird so lange abgetragen, bis der Riss komplett erfasst ist. „Dann wird die alte durch eine neue Schweißnaht ersetzt“, erklärt Apel.

Weiter Informationen zu den Arbeiten an der Brücke lesen Sie auf Seite 2.

Dieser Schritt wird auf der gegenüberliegenden Seite gerade von Dietmar Serp durchgeführt. Mit der Flamme eines Gasbrenners erhitzt der Mitarbeiter von Apel die Stelle, die er zuvor ausgefugt hat. Dann kommt das Schweißgerät zum Einsatz. Mit bis zu 3?000 Grad Celsius erneuert er die Verbindung zwischen Querträger und Lamelle und schließt damit den letzten Riss auf dieser Seite der nördlichen Autobahnbrücke.

Vier Schweißgeräte gleichzeitig

„Mit dieser Wand sind wir fertig“, bestätigt Anke Hawemann. Seit Beginn der Arbeiten am 3. November ist etwas mehr als eine Woche vergangen. „Wir kommen gut voran“, sagt die Brücken-Spezialistin. Derzeit wird mit vier Schweißgeräten gleichzeitig gearbeitet. Mehr sei nicht möglich, sagt Bauleiter Apel. Warum, merkt man im Tunnel sofort. Es riecht nach abgebrannten Wunderkerzen. Das ist nicht unangenehm, aber eben auch nicht gesund. „Wir haben eine Absauganlage“, sagt Apel. Aber alles könne man nicht rausfiltern.

Laut Planung sollen die Arbeiten an der ersten Brücke am 20. November beendet sein. Dann kann der Verkehr auch wieder drei oder sogar vierspurig fließen. „Die sanierte Brücke ist ja stärker belastbar“, sagt Hawemann. Bis Weihnachten soll die südliche Überquerung fertig sein. „Nach derzeitigem Stand könnten wir schon ein paar Tage früher fertig sein“, prognostiziert Hawemann. Sie warnt aber auch vor vorzeitigem Optimismus. Das tückische an den Schäden sei, dass man ihr wirkliches Ausmaß von außen nicht sieht. „Ein kleiner Kratzer kann schnell zum langen Riss werden“, erklärt Hawemann. Und wenn es davon einige gebe, sei der Zeitvorsprung schnell wieder dahin. (mz)

Staus gehören auf der A 2 bei Magdeburg zum Alltag.
Staus gehören auf der A 2 bei Magdeburg zum Alltag.
dpa Lizenz
In der Stahlkonstruktion unter den Fahrbahnen der Autobahnbrücke über die Elbe sind Risse. Nun wird von Innen her repariert.
In der Stahlkonstruktion unter den Fahrbahnen der Autobahnbrücke über die Elbe sind Risse. Nun wird von Innen her repariert.
Andreas Stedtler Lizenz