Pratau Pratau: Die zwei Versionen vom Bruch
Pratau/MZ. - 2002 bahnt sich die Elbe den Weg bis zur Pratauer Kirche, die auf einem Hügel steht. Von vielen Häusern ringsum schauen nur noch Dächer aus den Wellen. Kommt die Rede darauf, können sich Pratauer noch immer trefflich streiten. Schicksalsereignis? Die Wucht des Wassers hätte die 15 Meter lange und drei Meter tiefe Lücke gerissen, ist die offizielle Darstellung. Eine Sprengung sei Auslöser gewesen, das Gerücht hält sich hartnäckig.
Fakten und mögliche Motive
Pfarrer Jürgen Hofmann (52) ist damals dabei gewesen und rät, sich an nachprüfbare Fakten zu halten. "Der alte Deich war in schlechtem Zustand, die Kraft der Flut unvorstellbar. Sandsäcke halfen nicht mehr." Deshalb habe man die Einsatzkräfte nachts aus der Gefahrenzone geholt. "Eine richtige Entscheidung." Andererseits gibt es laut Hofmann auch ein Motiv, das eine Sprengung erklären könnte. Mit dem Dammbruch habe sich automatisch der Druck auf die neue Elbebrücke vermindert. "Vielleicht blieb sie nur deshalb intakt, weil Unmengen von Wasser nach Pratau abliefen." Ob damals tatsächlich jemand eine Sprengung erwogen habe, liege im Dunkeln.
Heute entdecken aufmerksame Besucher in Pratau nur noch diese und jene Hochwassermarkierung, mehr nicht. Hofmann will der Flut nicht einmal einen extra Gottesdienst widmen - vorbei, vorbei. Der Deich sei von Grund auf erneuert - Millioneninvestitionen, alles so ausgelegt, dass er einer erneuten Flut bestimmt standhalten werde.
Die Probleme ändern sich
Trotzdem ist Hofmann unzufrieden: "Wir haben heute ein anderes Problem - die Abwanderung." Alle beschädigten Häuser seien zwar saniert. Doch lebten vielfach nur noch Rentner darin. Dabei sei Pratau heute attraktiver als vor dem Hochwasser. Mitunter geht der Pfarrer zum Deich, den gleichen Weg wie damals im August. Unterwegs ein Innehalten an der Hauptstraße. Mitten im Ort, steht ein großes Wohnhaus leer - und verfällt. Einen Katzensprung entfernt ist ein schönes Ladenlokal zu vermieten - seit längerem. Freier Platz wartet am südlichen Ortsrand, wohl günstig zu haben. "Doch die Investoren stehen nicht Schlange."
Während Hofmann über den jetzt friedlichen Fluss blickt, rechnet er nach: Seit 22 Jahren lebt er im Pfarrhaus - und will auch nicht fort, trotz Hochwassergefahr. Noch immer geht er dann und wann von Haus zu Haus, bietet wie einst das Gespräch an. "Kurz nach der Flut war ich der erste Seelsorger, stets willkommen." Viele Fragen von damals, sagt Hofmann, stehen glücklicherweise nicht mehr. "Alles geht so seinen gewohnten Gang."