Polizei in Sachsen-Anhalt Polizei in Sachsen-Anhalt: Elektroschocker für alle Polizisten?

Halle (Saale) - Der erste Test endete in einem Desaster: Als das Spezialeinsatzkommando (SEK) vor einigen Jahren erstmals eine Elektroschock-Pistole testete, war das Ergebnis so ernüchternd, dass auf den Kauf der auch Taser genannten Geräte für die Spezialisten bei Geiselnahmen und ähnlichen schwierigen Einsätzen verzichtet wurde. Im Ernstfall sollten die SEK-Leute dann doch lieber Blei statt Strom einsetzen.
Inzwischen sind nicht nur die Geräte ausgereifter, wie es im Innenministerium hieß: Das Landeskriminalamt (LKA) als Dienststelle des SEK hat daher nach MZ-Informationen auch einen erneuten Anlauf unternommen, die „nichttödlichen Distanzwaffen“, wie sie im Behördendeutsch genannt werden, zu beschaffen.
„Ein minderschweres Einsatzmittel“
LKA-Chef Jürgen Schmökel wollte sich mit Verweis auf das Innenministerium dazu nicht äußern. „Wir halten Taser als Distanzwaffe in der Tat für ein minderschweres Einsatzmittel“, erklärte Ministeriumssprecher Stefan Brodtrück, ohne auf die LKA-Forderung einzugehen. Brodtrück erklärte zudem: „„Wir schließen nicht aus, dass Spezialeinheiten der Landespolizei künftig mit diesen Waffen ausgerüstet werden.“
Wolfgang Ladebeck, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), geht dies hingegen noch nicht weit genug. Vergangene Woche beschloss der Landesverband, die Ausrüstung mit Tasern für alle Einsatzbeamte zu fordern. Also auch für den Schutzmann auf der Straße. „Die Gewalt gegen Polizisten nimmt immer mehr zu, mit den Tasern hätten wir ein Hilfsmittel, um die Beamten zu schützen“, sagte Ladebeck. Es sei allemal besser, dass der Angreifer „zwei Sekunden Schmerz erträgt, als dass er am Ende tot ist“, so Ladebeck mit Blick auf den Einsatz von Schusswaffen.
Was Landespolitiker von SPD und Grünen von dem Vorschlag halten, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Angesichts moderner Geräte sei eine Gesundheitsgefährdung inzwischen praktisch ausgeschlossen, zudem müsste „natürlich der Einsatz gesetzlich geregelt werden.“ Auch auf der Jahrestagung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) war der Einsatz von Tasern Thema, erklärte Landeschef Uwe Petermann. Allerdings habe man sich dafür ausgesprochen, nur Spezialkräfte - neben dem SEK etwa Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten - mit den Geräten auszustatten. Auch Petermann bezeichnete den Taser als „das mildere Mittel, er ist nicht so gefährlich wie die Schusswaffe“. Petermann wies aber darauf hin, dass es beim Taser-Einsatz zu schweren Verletzungen und Todesfällen gekommen sei.
SPD-Innenexperte: Wahnsinn
In der Landespolitik überwiegt die Ablehnung gegenüber den Geräten: „Ich halte die Forderung der DPolG für Wahnsinn, alle Streifenbeamten mit solchen Geräten auszustatten“, sagte SPD-Innenexperte Rüdiger Erben. Taser seien nicht so harmlos wie immer wieder behauptet. Er sei bereits in seiner Zeit als Innenstaatssekretär gegen die Anschaffung gewesen. Auf die Gefährlichkeit wies auch Sebastian Striegel (Grüne) hin. „Es steht bei dieser Aufrüstung der Polizei zudem zu befürchten, dass vom Einsatzmittel - so vorhanden - auch regelmäßig Gebrauch gemacht wird.“ Er widersprach zudem der Behauptung, dass die Zahl von Übergriffen auf Polizisten zunehme, dies sei statistisch nicht belegt. Von „erheblichen Bauchschmerzen“ wird Innenpolitikerin Gudrun Tiedge (Linke) angesichts der Forderung der Gewerkschaften geplagt: „Die Polizei will immer mehr Waffen, um Gewalt zu unterbinden, ohne nach den Ursachen zu fragen - das ist doch eine Spirale ohne Ende“. (mz)
