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Pharmazie Pharmazie: Hallesche Forscher legen Grundstein für neue Diabetes-Therapie

Von Eckhard Jäckel 28.06.2005, 18:29

Halle/MZ. - Voraussichtlich Ende nächsten Jahres wird die Pille für Zuckerkranke auf den Markt kommen. Zunächst in den USA, bald darauf wohl auch in Europa. Für Millionen an Diabetes Typ zwei, auch Altersdiabetes genannt, erkrankter Menschen kann die neue Therapie den Abschied von der Insulin-Spritze bringen. Eine Tablette am Tage soll dabei genügen, den Stoffwechsel ins Lot zu bringen. Zwei Biochemikern aus Halle ist es zu danken, dass diese einfache Therapie möglich wird: Hans-Ulrich Demuth und Konrad Glund.

Als gestandene Mittvierziger haben sie sich in ein Abenteuer gewagt, das sie jetzt - acht Jahre später - so kaum noch einmal anpacken würden. Denn nur mit einer gehörigen Portion Nichtahnung sei aus heutiger Sicht der selbstbewusste Sprung in das Haifischbecken der Pharmabranche denkbar gewesen. "Irgendwie hatten wir das Glück der Tüchtigen", sagt Demuth. Gemeinsam mit Glund, den er schon aus Studientagen an der halleschen Uni kennt, gründete er 1997 das Pharmaforschungsunternehmen Probiotec, das später in Probiodrug umbenannt wurde.

Vorausgegangen waren Forschungen, die Demuth seit 1994 am Jenaer Hans-Knöll-Institut zur bahnbrechenden Idee vorangetrieben hatte: P93 / 01 heißt die chemische Verbindung. Diese kann das so genannte DP4-Enzym blockieren, welches die Hormone kontrolliert, die wiederum den natürlichen Insulinhaushalt steuern. Eine Idee also, die so ziemlich an einer der Wurzeln der Erkrankung ansetzt.

Dass es ein langer Weg wird, ehe sie die Früchte ihrer Arbeit ernten können, wussten sie. Dass dieser Weg steinig ist, haben sie gelernt. Ein erster industrieller Partner machte sehr rasch deutlich, dass er allein die Ernte einfahren wollte.

2004 traten acht der größten Pharmakonzerne im Rechtsstreit gegen Probiodrug an, um eines der Patente für die Diabetes-Therapie zu kippen. Um die Entwicklung der Firma nicht zu gefährden, entschlossen sich Glund und Demuth, das Projekt zu verkaufen. Substanzen, Patente und Lizenzen gingen für 35 Millionen Dollar an die britische Firma Prosidion (Oxford), die die Entwicklung bis zur Marktreife eines neuen Medikaments vorantreiben und den

Rechtsstreit ausfechten wird. Glund betreut in Oxford als Vize-Präsident bei Prosidion das Projekt vorerst weiter. Auch andere Probiodrug-Forscher sind eingebunden. Die Probiodrug-Lizenznehmer, der US-Pharmariese Merck & Co. sowie die Schweizer Novartis drücken nun aufs Tempo, um den Wettlauf auf dem Milliardenmarkt mit einem ersten Medikament zu gewinnen. Derweil setzt Prosidion mit Probiodrug-Hilfe auf einen Qualitätssprung mit der Probiodrug-Substanz. Demuth: "Wir haben das Molekül anders konzipiert als manche der Pharmaunternehmen. Damit könnten mögliche Nebenwirkungen verringert werden, es kann eventuell sogar das Gewicht der Patienten reduzieren."

Für die Firma Probiodrug, die als erster gewerblicher Mieter im halleschen Bio-Zentrum mit acht Mitarbeitern und jeder Menge Schulden begonnen hatte, brachte der Verkauf so etwas wie die Erlösung: Die Firma konnte entschuldet werden und verfügte über Geld für ihre nächsten Entwicklungen. Mehr als 50 feste Mitarbeiter forschen heute bei Probiodrug. Unterstützt werden sie von Diplomanden und

Praktikanten. Zu tun gibt es mehr als genug. "Wir verfolgen vier bis fünf Projekte gleichzeitig," sagt Demuth. "Nur auf eines zu setzen, wäre gefährlich, weil die Konkurrenz auch nicht schläft." Eine der wichtigsten Erfahrungen aus dem Diabetes-Projekt ist für Demuth: "Es zählt der Wissensvorsprung. Deshalb ist es besser, nicht zu früh zu erzählen, woran gearbeitet wird."

So sei es gelungen, über Jahre hinweg Stillschweigen über parallel laufende Projekte zu wahren, die nun kurz vor dem Durchbruch stehen und ähnlich groß wie das Diabetes-Projekt zu werden versprechen. Hans-Ulrich Demuth: "Noch gibt es weltweit kein kausal wirksames Medikament gegen die Alzheimersche Krankheit. Wir glauben, nun einige Schlüssel dafür in der Hand zu halten."