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Pflegeeltern Pflegeeltern: Städte suchen händeringend nach Familien

06.04.2013, 09:44
Das Landesverwaltungsamt von Sachsen-Anhalt beklagt einen Mangel an Pflegeeltern.
Das Landesverwaltungsamt von Sachsen-Anhalt beklagt einen Mangel an Pflegeeltern. dpa Lizenz

Bernburg/Halle/dpa - Die eigenen Kinder sind groß, die Erziehung ist gelungen - wie geht es weiter? Dies ist ein typischer Punkt, an dem Paare zu Pflegeeltern werden, sagt Birgit-Patricia Eilenberger vom Fachzentrum für Pflegekinderwesen Sachsen-Anhalt. Auf Zeit begleiten sie dann verhaltensauffällige oder traumatisierte Kinder, die das Jugendamt aus deren eigenen Familien herausgeholt hat. Oft wurden diese Kinder vernachlässigt, misshandelt, oder der Streit zwischen den Eltern bedrohte ihr Wohl.

Im vergangenen Jahr erreichte die Zahl der Pflegekinder in Sachsen-Anhalt mit 2225 einen Spitzenwert, wie aus Zahlen des Landesjugendamts in Halle hervorgeht. Fünf Jahre zuvor waren es nicht einmal 2000. Es gibt zwar auch mehr Pflegefamilien - 2012 waren es 1340 und damit 70 mehr als fünf Jahre zuvor. Allerdings suchen die Kommunen händeringend nach Eltern, die sich diese Aufgabe zutrauen.

„Wir sagen den Eltern ganz klar, was sie erwartet und dass es nicht leicht ist“, betont Eilenberger. Die Pflegeelternschule, die ebenfalls im Fachzentrum in Bernburg angesiedelt ist, bereite die Männer und Frauen auf Themen wie Alkoholmissbrauch in der Schwangerschaft und die Folgen, Beziehungsthemen und Traumata vor. „Die denken, wir wollen sie vergraulen“, sagt Eilenberger. Jeder soll aber von den Problemen wissen, die auftreten können.

Bevor die künftigen Pflegeeltern aber geschult werden können, müssen die Landkreise und kreisfreien Städte sie finden. Und das ist nicht einfach. „Im Vergleich zu den Vorjahren ist es schwieriger geworden, Kinder in die für sie geeigneten Pflegestellen zu vermitteln“, heißt es etwa aus dem Jugendamt in Magdeburg. Die schwierigen Familiensysteme, aus denen die Kinder kämen, würden immer komplexer. Die Folge seien soziale Verhaltensauffälligkeiten, vielfältige Beeinträchtigungen und Behinderungen. In der Landeshauptstadt betreuen derzeit 96 Pflegefamilien 174 Pflegekinder.

Beate Kletschka von der Zentralen Adoptionsstelle im Landesjugendamt sagt: „Fast alle Kinder haben traumatische Erfahrungen gemacht, sie wurden von ihren eigenen Eltern getrennt.“ Sie betont: „Man muss dem auch gewachsen sein.“ Es würden vor allem Pflegefamilien gebraucht für junge Kinder. Die Kinder seien dort in der Regel besser aufgehoben als in einem Heim. Erziehungsprofis müssten Pflegeeltern keinesfalls sein, sagt Eilenberger vom Fachzentrum für Pflegekinderwesen. „Ruhe und Ordnung sind für die Kinder das Wichtigste, die Freiheit von Angst, ein Nest und Sicherheit.“ Die Grundbedürfnisse sollen erfüllt werden, erst dann kommt die Erziehung.

Wie also können mehr Pflegefamilien gefunden werden? Kletschka findet, dass Mund-Propaganda das beste Mittel ist. Der Landkreis Harz schalte regelmäßig Anzeigen. Kathrin Vahl vom sozialpädagogischen Fachdienst des Kreises lobt ihre sehr agilen Mitarbeiter, die auch mit ihren eigenen Autos Werbung machten. Zudem gebe es drei sehr aktive Pflegeelternvereine. Im Landkreis Harz gibt es laut Vahl aktuell 186 Pflegefamilien und 243 Pflegekinder. Dennoch brauche man noch etwa fünf neue Familien.

Eilenberger und ihre Kolleginnen vom Fachzentrum in Bernburg beobachten einen Trend bei den Pflegeeltern: Zunehmend seien sozial engagierte Menschen mit eigenem Beruf vertreten. Die Generation, die nach der Wende arbeitslos auf dem Lande zurückgeblieben ist und Kinder aufgenommen hat, gebe es immer weniger. Beate Kletschka vom Landesjugendamt betont, dass homosexuelle Paare genauso wenig ausgeschlossen würden wie Unverheiratete oder Alleinerziehende. Es komme vielmehr darauf an, dass die Familien ausreichend Zeit für die Kinder mitbringen.