MZ-Serie Adel in Sachsen-Anhalt MZ-Serie Adel in Sachsen-Anhalt: Von Arnims Rückkehr auf Raten

Brandenstein - Das ist ja mal eine Aussicht! Und das in der vermeintlichen märkischen Pampa. Hinaus ins Offene, Weite geht der Blick aus den Fenstern des Hauptwohnraums nach Süden über üppiges Wiesengrün, das uralte Bäume einrahmen.
Das wäre wohl so recht auch was für Bettina gewesen, die berühmte Romantikikone aus dem selben Geschlecht wie die Hausherren von Schloss Brandenstein: von Arnim. „Ja, sicher“, lächelt Gisela von Arnim denn doch leicht maliziös über die wohl allzuoft gestellte Frage, „Bettina ist nun mal die Bekannteste von uns. Die war sogar zu DDR-Zeiten salonfähig wegen ihres sozialen Engagements. Aber so unmittelbar verwandt sind wir nicht. Die Arnims sind über die Jahrhunderte doch reichlich weit verzweigt.“
Für genealogische Erläuterungen ist jetzt sowieso keine Zeit. Drei Neffen sind auf Jagdbesuch und sollen mit Kaffee und Kuchen für die Pirsch gestärkt werden. Da ist die zierliche 81-Jährige, die so zerbrechlich wie widerstandsfähig wirkt, in ihrem Element.
Wechselvolle Historie
Das Schloss sieht häufig Gäste. Familie, Freunde, Nachbarn; das Parktor steht immer offen. „Oft kommen auch ehemalige Heimkinder zu mir“, ergänzt die Hausherrin. „Das Haus hat ja früher als Kinderheim vielen das Elternhaus ersetzt und ihre Kindheit geprägt.“ Die „Jungs“ sind raus in den Wald. Gisela von Arnim atmet durch und beginnt zu erzählen. Ihre Geschichte führt durch die wechselvolle Historie des 20. Jahrhunderts. Ein Lebensweg, typisch für ihre Generation, und doch ein ganz eigenes Schicksal.
Sachlich blättert die Frau, die mit grünen Chinos, karierter Bluse und dunklem Ponyschnitt fast burschikos wirkt, die acht Jahrzehnte eines ereignisreichen Lebens auf. In Mecklenburg als Gisela von Chappuis geboren, wuchs sie in Berlin und auf dem großelterlichen Gut bei Wismar als eines von fünf Geschwistern auf. Der Vater war Soldat. „Zu Kriegsende, als es hieß, die Russen kommen, sind wir mit Pferd und Wagen getreckt.“ Den Tieffliegerangriff hat sie noch heute vor Augen: „Die Pferde tot. Der Wagen kaputt. Unsere Mutter wurde erschossen.“ Kein Weiterkommen für die Kinder.
1959 wurde geheiratet
So suchten sie Zuflucht bei Verwandten auf einem Hof in Mecklenburg. „Da waren ja erst die Amis. Als dann die Russen anrückten, mussten wir auch da raus.“ Zunächst bot eine kleine Wohnung Unterschlupf. „Überraschend gab es dann eine Aktion zur Familienzusammenführung. Wir wollten nach Schleswig-Holstein. Da saßen viele aus der Familie.“
Nach Weihnachten sei es dann losgegangen. „Im verplombten Viehwagen waren wir tagelang unterwegs. Bei der Ankunft wurde erstmal entlaust. Und“, erinnert sie sich dankbar, „endlich gab es was zu essen.“ Zeitweise kam man bei Verwandten und Freunden unter. 1955 kam endlich auch der Vater aus russischer Gefangenschaft.
Das Leben kam in ruhigere Bahnen. Gisela besuchte eine Handelsschule, arbeitete bei einer Bank - und ging als Au pair nach England. Damals noch kein gewöhnlicher Schritt. Da brauchte es schon Unternehmungsgeist und Zielstrebigkeit, die dem einstigen Flüchtlingskind wohl so manches Mal durchs Leben geholfen haben. Mit ihrer Auslandserfahrung fand sich eine Stelle beim Deutschen Akademischen Austauschdienst in Bonn. Bis die Liebe in Gestalt von Bernd von Arnim kam, der in der Wirtschaft im Rheinland tätig war. 1959 wurde geheiratet. Drei Kinder machten die junge Familie komplett.
Wohin es die Kinder später verschlug, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Sohn Malte lebt heute in Bremen, Tochter Anna-Elisabeth hat Mathematik studiert, arbeitet in der Software-Branche und hat inzwischen zwei Mädchen. „Genau wie unser Sohn Allard. Der hat BWL studiert und kümmert sich um unsere Land- und Forstwirtschaft.“ Gisela von Arnim ist stolz und froh, das ist nicht zu überhören. Froh, dass es hier weitergeht in Brandenstein. In diesem Wohnsitz mit den markanten Türmchen, den Vorfahre Hans von Arnim um 1900 errichten ließ.
Es war ein langer, schwieriger Weg, bis die Arnims dorthin zurückkommen konnten, wo die Ahnen seit mehr als 500 Jahren siedelten. Doch trotz aller, damals gar nicht bis ins Letzte absehbaren Mühen, war die Rückkehr keine Frage, als es 1989 hieß: Die Mauer ist auf. „Da gab es kein Halten mehr. Mein Mann ist ja im Schloss geboren und wollte unbedingt zurück“, lässt Gisela von Arnim keinen Zweifel an diesem Entschluss und muss lächeln über die Freunde, die damals meinten: Ihr seid verrückt geworden. Begrabt Euer Erspartes im Märkischen Sand.
„Glück war, dass wir die Menschen hier kannten“, erinnert sich Gisela von Arnim an die erste Zeit. „So weit möglich, waren wir zu DDR-Zeiten immer mal hier zu Besuch, haben Pakete geschickt. Da war immer ein gutes Verhältnis.“ Es wurde denn doch eine Rückkehr auf Raten. Mehr als ein Jahrzehnt musste gependelt werden zwischen Brandenstein, wo sie ein kleines Haus als Bleibe hatten, und dem Rheinland.
Schloss zur Hälfte renoviert
Sie setzten mit Erfolg auf Zusammenarbeit. Schon seit 1991 hatte Bernd von Arnim mit seinem Bruder Axel, gelernter Landwirt, zusammen mit einem heimischen Bauern begonnen, auf einem Teil der einstmals Arnimschen Felder Landwirtschaft zu betreiben. Nach und nach konnten etwa ein Drittel des einst 3.000 Hektar umfassenden Areals sowie Teile des enteigneten Waldes zurückerworben werden. Schließlich auch das Elternhaus, nachdem das darin befindliche Kinderheim zur Jahrtausendwende ausgezogen war.
„Das Schloss war in einigermaßen moderatem Zustand.“ Um es wieder als Wohnstätte herzurichten, bedarf es allerdings eines langen Atems. Noch immer wird in einem Flügel gebaut, eine Wohnung für Sohn Allard hergerichtet. „Ist alles noch im Werden. Genau besehen, ist das Schloss erst zur Hälfte renoviert“, nimmt die Hausherrin die Dauerbaustelle gelassen.
Im Park die schlosseigene Kapelle hingegen war unversehrt. „Da hatte die Kirche ein Auge drauf.“ Dort erklingen manchmal Konzerte. Auf dem kleinen Friedhof hat Bernd von Arnim seine letzte Ruhestätte gefunden. In der Erde, die seit nunmehr 13 Generationen Heimat ist für die Arnims. (mz)



