Merseburger Sprengstoff-Anschlag Merseburger Sprengstoff-Anschlag: «Könnte ich es nur ungeschehen machen»
Halle/MZ. - Am Ende steht ihm die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Torsten L., der dem Merseburger Rocker-König Herbert Thiele vor drei Jahren eine Bombe baute, bei deren Explosion wenig später vor dem In-Lokal "Desperado" 20 Menschen schwer verletzt wurden, atmet tief durch, als Richter Jan Stengel das Urteil verkündet. Wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung muss der Thüringer für fünf Jahre und acht Monate hinter Gitter. Acht Jahre hätten es sein können.
Torsten L., in Khakihemd und Jeans, hatte seine Tatbeteiligung zuvor uneingeschränkt gestanden. Im Verfahren gegen Herbert Thieme sorgten die minutiösen Schilderungen des Rudolstädters für eine Wende: Jetzt erst scheint eine Verurteilung des Anstifters möglich.
So gilt der ausgebildete Bundeswehr-Fallschirmjäger, der einst mit der SFOR in Sarajevo half, den Frieden zu schaffen, selbst den Opfern des heimtückischen Anschlages vom Sommer 1999 nicht als abgrundtief böser Mensch. "Wir glauben Ihnen", sagt Richter Jan Stengel, "dass Sie nicht wussten, dass gerade eine Geburtstagsfeier stattfinden würde, wenn sich die Explosion ereignet." Thieme, so hatte Torsten L. beteuert, habe ihm versichert, dass das "Desperado" geschlossen sei. Nebenkläger Ingo B., Party-Gastgeber und selbst schwer verletzt, lässt denn auch ausrichten, dass Sühne wohl sein müsse. "Doch ich kann damit leben, wenn er nur vier Jahre bekommt."
Neben der Aussagebereitschaft ist es das Plädoyer der Opfer, das einen kurzen Prozess für den seit Mai diesen Jahres in U-Haft sitzenden Vater einer zweieinhalbjährigen Tochter möglich macht. "Sie sind aus dem Einsatz gekommen und man hat Sie mit ihren Problemen allein gelassen", versucht Jan Stengel in der Urteilsbegründung, sich in L.s Situation einzufühlen. Thieme habe das erkannt und den zu soldatischem Gehorsam erzogenen Einzelgänger für seine Zwecke missbraucht. "Sie waren ein Gegenstand, der nichts hinterfragt." Da nickt der 31-Jährige, den erst die Seelenpein überführte: Torsten L. vertraute sich gleich mehreren Bekannten an, einer von ihnen informierte die Polizei. "Ich hätte es besser wissen müssen", sagt er, "wenn ich nur alles ungeschehen machen könnte."
Ute W. (Name geändert), L.s Lebensgefährtin, ist genau so alt wie Heike B., die beim Anschlag beide Beine verlor. L. zittert die Stimme. "Das war eine grauenvolle Tat", presst er hervor. Demnächst will Heike B. sich mit ihm treffen. "Es gibt kein Verständnis, aber vielleicht gibt es ein Verzeihen", hofft ihr Anwalt Sven Leistikow.