1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Marode Infrastruktur: Marode Infrastruktur: Betonkrebs und Bröselsteine

Marode Infrastruktur Marode Infrastruktur: Betonkrebs und Bröselsteine

Von Kai Gauselmann 02.08.2012, 18:25

Magdeburg/MZ. - Die Schienen-Probleme auf der Zugstrecke Halle-Bitterfeld sind kein Einzelfall. Pfusch am Bau, Mängel am Material - Ärger mit recht neuer Infrastruktur wie Straßen oder Plätzen kommt in Sachsen-Anhalt immer wieder vor. Eine kleine Schadensbilanz.

Autobahnen sollen eigentlich eine Lebensdauer von gut 30 Jahren haben. In Sachsen-Anhalt wurden sie nach der Wende gebaut oder saniert - trotzdem sind die A 9, A 14 und A 38 schon jetzt Sanierungsfälle. "Betonkrebs" heißt die Diagnose: Blasen auf dem Fahrbahnbelag, die ihn zur Rüttelstrecke machen und schließlich zerbröseln können und so gefährlich für den Verkehr werden. Auslöser ist Kieselsäure in dem für den Beton genutzten Kies oder Split. Mit Regenwasser bildet sich im Laufe der Zeit daraus ein Gel, das die Fahrbahn buchstäblich sprengt.

Versiegelung soll Straße schützen

Beachtliche 110 der 590 Autobahn-Kilometer in Sachsen-Anhalt sind betroffen. Nach und nach sollen die schadhaften Stellen ausgebessert werden, bis Jahresende laufen zunächst Kosten von 11,5 Millionen Euro auf. Bis Ende 2013 sollen 35 Kilometer neu betoniert sein. Derzeit wird ein fünf Kilometer langer Abschnitt auf der A 9 zwischen dem Autobahnkreuz Rippachtal und Bad Dürrenberg runderneuert - an der Baustelle bilden sich immer wieder lange Staus. Gleichzeitig wird versucht, noch intakte Strecken zu schützen. Versuchsweise wurden 20 Kilometer der A 9 zwischen Elbe und der Landesgrenze zu Brandenburg versiegelt - so soll verhindert werden, dass Wasser eindringt.

Auch bei Bundesstraßen gab es schon Probleme. Die B 6n musste 2009 - nach erst sieben Jahren - bei Aschersleben und Wernigerode für 13 Millionen Euro saniert werden. Die Strecke war marode, weil beim Bau von anderen Straßen abgefräster Alt-Asphalt verwendet worden war.

Für nervöse Zuckungen bei Baudezernenten im Land sorgt die Erwähnung von "indischer Grauwacke". Das Pflaster aus Indien ist kostengünstig, eignet sich aber nur bedingt für hiesige Verhältnisse: Frost lässt es bisweilen bröseln. In Köthen ist der Markt auf West- und Südseite betroffen, dort sind die Gehwege wie Blätterteig zerbröselt. Ein weiteres Problem: Die Steine sind gebunden verlegt worden, für Bewegungen bei Temperaturschwankungen ist kein Platz - die Steine zerdrücken sich gegenseitig. Die Stadt streitet mit Planer und Baufirma um die Kostenübernahme. Derweil beginnt die Schadensbeseitigung, allein ein erster Bauabschnitt wird 65 000 Euro kosten.

Ähnliche Erfahrungen hat man mit der Grauwacke in Sangerhausen und Bernburg gemacht. Auch in Wolfen zerbröseln etwa 235 000 Pflastersteine, die erst vor gut zweieinhalb Jahren verlegt wurden. Dort geben die Steine bei Belastung nach und platzen - mutmaßlich, weil bei der Fertigung zu wenig Zement benutzt wurde. Das ist aber kein indisches Problem: Die Wolfener Steine stammen von einem hiesigen Produzenten.

Auch der Marktplatz in Halle ist ein schadhafter Neubau. Erst 2006 war der Platz für zehn Millionen Euro erneuert worden. Hier ist nicht das Material, sondern die gebundene Bauweise das Problem: Die dunklen Granitplatten heizen sich im Sommer auf bis zu 60 Grad auf, können sich aber nicht bewegen - sie wurden gebunden verlegt und liegen starr im Betonmörtel. Die Folgen sind unansehnliche und abgebrochene Kanten.

Brücke wurde abgerissen

Kilometerlange Staus waren die Folge von Mängeln an einer Autobahnbrücke über die A 14 bei Wallwitz im Saalekreis. Das Bauwerk aus den 1990er Jahren war selbst nicht marode. Die Böschung, der Halt für die Brücke, gab aber nach. Es bestand schließlich Einsturzgefahr. Die A 14 musste gesperrt und die Brücke abgerissen werden.

Dass steuerfinanzierte Bauten schnell altern oder unerwartete Mängel aufweisen, häuft sich vielleicht heutzutage. Zumindest in Einzelfällen hatten auch früher Bauten der öffentlichen Hand nicht so lange wie geplant Bestand: In Laucha (Burgenlandkreis) etwa musste in den 1930-er Jahren eine Brücke nach erst 19 Jahren wieder abgerissen werden - wegen Baumängeln.