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Magdeburg Magdeburg: Politik statt Hirnforschung

Von KAI GAUSELMANN 17.10.2011, 19:41

Magdeburg/MZ. - Antje Buschschulte ist nicht nur eine hochdekorierte Sportlerin, sondern steht auch gerne früh auf. Jedenfalls hat die ehemalige Weltklasse-Schwimmerin das bei der entsprechenden Imagekampagne des Landes behauptet: "Ich bin eine Frühaufsteherin, weil ich am Startblock immer die Erste sein will." Aber die Beziehung der Wahl-Magdeburgerin Buschschulte zu Sachsen-Anhalt ist keine Einbahnstraße, denn jetzt tut das Land etwas für die 32-Jährige: Sie erhält überraschend den Job als Büroleiterin beim Chef der Staatskanzlei, Rainer Robra (CDU). Die Nachricht hatte Ende vergangener Woche zunächst Erstaunen ausgelöst, jetzt folgt Kritik von Opposition und Gewerkschaftern.

"Das ist Nasenpolitik. Die Nase, die einem gefällt, die nehme ich", kritisiert etwa Lothar Philipp, Verdi-Bezirksgeschäftsführer für das südliche Sachsen-Anhalt. Er hält die Berufung Buschschultes für fragwürdig. "Solche Stellen sollte man mit Leuten besetzen, die Verwaltungserfahrung haben."

Die frühere Weltklasse-Schwimmerin ist Diplom-Neurobiologin, arbeitet an ihrer Doktor-Arbeit. Fast ein Jahr hat sie Teilzeit bei einer Firma für kognitive Rehabilitation und Hirnleistungstraining gearbeitet. Außerdem ist sie Vize-Präsidentin des Landes-Schwimmverbandes. Verwaltungserfahrung hat die Mutter einer kleinen Tochter nicht. Verdi-Mann Philipp betont zwar, dass er nichts gegen Buschschulte habe. "Wenn sie Werbung für das Land macht, finde ich das auch gut. Aber doch nicht auf so einer Stelle."

Ähnlich äußert sich Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert. "Auch bei Stellungen mit einem besonderen Vertrauensverhältnis muss die Qualifikation stimmen, und hier darf bei der Personalie Buschschulte Erstaunen erlaubt sein", sagt Dalbert.

Die Landesminister können ihre Büroleiter-Posten ohne Ausschreibung besetzen, weil es für den Job im direkten Umfeld der Minister ein besonderes Vertrauensverhältnis braucht. Über Buschschultes Tisch werden quasi alle Vorhaben der Landesregierung gehen. Büroleiter kommen in der Regel aus der Landesverwaltung und haben sich hochgearbeitet, wie auch Buschschultes Vorgänger. Er kam aus dem gehobenen Öffentlichen Dienst und wechselt jetzt als Referent in eine andere Abteilung der Staatskanzlei. Manche Büroleiter kommen auch aus den Parteien, und für einige ist der Posten das Sprungbrett für eine eigene Polit-Karriere. Finanz-Staatssekretär Jörg Felgner etwa war früher Büroleiter bei Finanzminister Jens Bullerjahn (beide SPD). Oder auch Kay Barthel: Der Finanzexperte der CDU-Landtagsfraktion war Büroleiter beim früheren Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU).

Ob auf diesem oder jenen Weg - "alle, die für so einen Job strampeln und Qualifikationen sammeln müssen, gucken jetzt irritiert", formuliert Linksfraktionschef Wulf Gallert. Ein Büroleiter müsse doch die Abläufe in einer Verwaltung kennen. Ihm sei auch nicht klar, "wo in diesem Fall das besondere Vertrauen herkommen soll". "Sicher, Frau Buschschulte ist eine nette und intelligente Frau. Aber sie hatte offensichtlich einen Prominenten-Bonus."

Dass die Landesregierung eine prominente Ex-Sportlerin engagiert und auf der anderen Seite hunderte Stellen abbaut, hält der Landeschef des Beamtenbundes, Maik Wagner, aber an dieser Stelle für keinen Widerspruch. "Wir sollten solche jungen Leute hier halten. Ehemalige Leistungssportler stehen dem Öffentlichen Dienst gut zu Gesicht." Buschschulte selbst beteuert auf ihrer Homepage, zum Job wie die Jungfrau zum Kind gekommen zu sein. Sie habe sich ursprünglich vergeblich um einen Posten im Wissenschaftsministerium beworben, was angesichts ihrer Qualifikationen Sinn macht. Dann habe "überraschend" Robra angerufen. Sie finde das völlig neue Arbeitsgebiet "auf der Schnittstelle zur Landespolitik" faszinierend. Und gibt erfrischend offen zu: "Manch einen mag ein Wechsel von der Neurowissenschaft in die Landesverwaltung überraschen, nicht zuletzt mich selbst."