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Linksextremismus Linksextremismus: «Nazis werden aufgewertet»

16.01.2012, 20:51

Chemnitz/MZ. - Herr Jesse, ein Linksautonomer wirft eine Betonplatte auf einen Polizisten - ein Einzelfall?

Jesse: Leider nein. Beim Kampf gegen Rechtsextremisten mischen sich immer wieder gewaltbereite Linke unter die Demokraten. In Magdeburg vor allem, seit die rechtsextreme Szene die Stadt neben Dresden als bundesweiten Aufmarschort für sich entdeckt hat.

Das heißt, mehr Neonazis ziehen mehr Linksextremisten an?

Jesse: Dieser Zusammenhang besteht eindeutig. Die rechtsextremen Demonstrationen werden von Jahr zu Jahr größer, das ruft nicht nur Demokraten auf den Plan, sondern auch immer mehr gewaltbereite Linksextremisten. Die kommen ja beileibe nicht nur aus Sachsen-Anhalt. Sie kommen aus Berlin, aus Hamburg, aus Sachsen, das ist ein vagabundierendes Protestpotenzial. Linksautonome und Rechtsextremisten brauchen einander zur Auseinandersetzung. Man könnte sagen, beide Gruppen leben geradezu voneinander, sie sind Brüder im Geiste.

Wie bitte?

Jesse: Beide sind auf klare Feindbilder fixiert: Bei den Linksautonomen sind es der Staat, die Polizei und Rechtsextremisten, tatsächliche oder vermeintliche. Und bei denen sind es Ausländer und - freilich weniger - die Autonomen.

Aber die Gefahr, die vom Rechtsextremismus ausgeht, ist doch größer als die durch Linksextremismus.

Jesse: Richtig ist: Jeder Rechtsextremist ist Antidemokrat. Aber nicht jeder Gegner der Rechtsextremisten ist ein Demokrat. Das hört man nicht gerne, das ist ein gewisses Tabuthema. Ich will nichts gleichsetzen, aber Tatsache ist, dass es auch linksextreme Gewalt gibt, wie man ja jetzt in Magdeburg gesehen hat. Und Gewalt ist abzulehnen, egal aus welcher Richtung sie kommt. Doch eine Gefahr für den Staat geht aus meiner Sicht von keinem der beiden Lager aus. Dazu sind sie isoliert.

Welche Gefahr geht denn Ihrer Ansicht nach von gewaltbereiten Linksautonomen aus?

Jesse: Die größte Gefahr ist, dass sie versuchen, den friedlichen Protest gegen Rechtsextremismus für sich zu besetzen. Dadurch wird die gute Sache in ein schlechtes Licht gerückt und diskreditiert. Und Rechtsextremisten können sich ins Fäustchen lachen. Sie werden letztlich von den Linksautonomen aufgewertet, während die Demokratie Schaden nimmt.

Wie lässt sich das verhindern?

Jesse: Jeder Demokrat sollte sich eindeutig von solchen Versuchen distanzieren. Wer friedlich gegen Rechtsextremisten demonstrieren will, muss deutlich machen, dass Gewalt dabei nicht geduldet wird, aus keinem Lager.