1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Leipzig/Halle: Leipzig/Halle: Wo der Fluggast Flecktarn trägt

Leipzig/Halle Leipzig/Halle: Wo der Fluggast Flecktarn trägt

Von Alexander Schierholz 11.08.2008, 20:07

Leipzig/MZ. - In dieser Nacht Ende Juni waren sie wieder da, wie alle paar Wochen. Zu zweit haben sie ihre Campingstühle auf einem der oberen Parkdecks ausgeklappt, mit gutem Blick auf die Rollbahn. Dann haben sie 24 Stunden ausgeharrt. Sie haben ein paar Fotos geschossen, die Kennungen der startenden und landenden Flugzeuge notiert. Diesmal haben sie die Liste sogar ins Internet gestellt. Am 30. Juni um 23.45 Uhr ist demnach eine Maschine der North American gelandet. "Ausgestiegen nur wenige mit weißen Hemden, eingestiegen 1 Bus GIs", vermerkt das Protokoll.

Sie sind keine "Planespotter", keine Hobby-Flugzeugfotografen, die Frauen und Männer von der Leipziger Aktionsgemeinschaft "Flughafen natofrei". Sie wollen dokumentieren, in welchem Umfang der Flughafen Leipzig/Halle der US-Armee als Zwischenstation dient.

"Technischer Stopp"

Regelmäßig landen auf dem Airport GIs auf dem Weg nach Afghanistan und in den Irak oder von dort in den Urlaub. Von "technischen Zwischenstopps" spricht Flughafen-Sprecherin Evelyn Schuster. Die Maschinen würden betankt, gereinigt, mit Lebensmitteln bestückt. Die Soldaten warteten derweil in einem abgesperrten Teil des Transitbereiches. "Dienstleistungen, wie sie zum regulären Tagesgeschäft gehören", sagt Schuster.

Lutz Metzger, Sprecher der AG "Flughafen natofrei" sieht das anders. "So findet Krieg statt", kommentiert er die Versorgung der Flugzeuge. Ähnlich argumentierten Anwohner, die vor kurzem nicht nur gegen die nächtlichen Frachtflüge, sondern auch gegen die rund um die Uhr stattfindenden Soldatentransporte geklagt hatten. Sie halten diese Flüge für völkerrechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte die Klagen Ende Juli abgewiesen (die MZ berichtete).

Bei Fragen nach der Zahl der Flüge oder der transportierten US-Militärangehörigen wird Flughafen-Sprecherin Schuster wortkarg: Das seien "Interna" der Fluggesellschaften. Die US-Armee fliegt in Leipzig nämlich nicht selber, sie chartert Maschinen zweier ziviler Airlines, von North American und World Airways. Von Militärflügen mag der Flughafen denn auch nicht sprechen. Immerhin räumt der Airport ein, dass es sich beim größten Teil der Transitpassagiere - laut Flughafenverband ADV im vorigen Jahr 333 774 von insgesamt 2,7 Millionen Fluggästen - um US-Soldaten handelt. Tendenz steigend - von 2007 bis zum ersten Quartal 2008 verdoppelte sich der Transit-Anteil laut ADV auf fast ein Viertel.

Von bis zu neun Flügen täglich mit GIs soll Flughafen-Chef Eric Malitzke Beobachtern zufolge kürzlich vor Gericht gesprochen haben. Der Airport dementiert das auf Nachfrage. Lutz Metzger von "Flughafen natofrei" hält die Zahl für realistisch. "Unsere Aufzeichnungen bestätigen das in der Tendenz." Im Frühjahr habe man erst bis zu sechs Flüge pro Tag registriert.

Der Flughafen redet lieber über andere Zahlen: Allein 200 Jobs, sagt Sprecherin Schuster, hätten gesichert werden können durch die US-Flüge. Ein Catering-Unternehmen habe von der geplanten Schließung abgesehen, nachdem es den Auftrag zur Versorgung der Maschinen bekommen habe.

Dementi vom Caterer

Gemeint ist die Lufthansa Tochter "LSG Sky-Chefs", deren Sprecherin Josefine Corsten sich über diese Darstellung wundert. "Natürlich hätte uns eine weitere Einschränkung der Nachtflüge wirtschaftlich erheblich getroffen", sagt sie mit Blick auf die Anwohner-Klagen. "Aber dass wir hätten weggehen wollen, kann ich nicht bestätigen."

Auskunftsfreudiger als der Flughafen ist die Bundeswehr: Sie nutzt nach Angaben des Verteidigungsministeriums regelmäßig die beiden auf dem Airport stationierten Antonov-Großraummaschinen - im Vorjahr 49mal, in diesem Jahr (bis 31. Juli) schon 60mal. Transportiert würden Großgeräte wie Lastwagen und Hubschrauber, aber auch Verpflegung, Trinkwasser und Zelte, sagt ein Sprecher. Und "selbstverständlich" auch Waffen. Ziele seien unter anderem Afghanistan, Tadschikistan oder das Kosovo, aber beispielsweise auch China - zur Erdbebenhilfe.

Auch Bundeswehrangehörige werden via Leipzig / Halle transportiert. Bundeswehrmaschinen brachten laut Ministerium im vorigen Jahr 132 Soldaten aus dem Kosovo nach Leipzig, 179 aus Usbekistan. Im Jahr 2006 waren sogar mehr als 3 500 deutsche Soldaten via Leipzig zum Einsatz geflogen worden - damals waren laut Ministerium viele Angehörige der in Leipzig stationierten 13. Panzergrenadierdivision an Auslandseinsätzen beteiligt. Von einer militärischen Nutzung des Flughafens will das Verteidigungsministerium trotzdem nicht sprechen. Diese sei, sagt der Sprecher, auch "weder beabsichtigt noch für die Zukunft geplant".

Lutz Metzger mag daran nicht glauben. Der Friedensaktivist verweist auf Pläne der Bundeswehr, ihre Logistik zu privatisieren. Auch DHL hat sich beworben. Metzger befürchtet deshalb, dass der Flughafen noch stärker als bisher für Militärtransporte genutzt werde.